3.3.1 Selbstkostenaktivierung

 

Rz. 72

Eine Möglichkeit, die Auswirkungen der Completed-Contract-Methode auf die Ertragssituation durch Vermeidung von Auftragszwischenverlusten zu begrenzen, könnte in der Aktivierung aufwandsgleicher Selbstkosten liegen.[1] Gleichwohl bleibt in der Periode der Abnahme ein Gewinnsprung, der jedoch bei Selbstkostenaktivierung auf den reinen Auftragsgewinn beschränkt ist.

 

Rz. 73

Nach überwiegender Auffassung in der Literatur ist – unter Bezugnahme auf den Aktivierungsumfang der Herstellungskosten – eine Aktivierung sämtlicher aufwandsgleicher Kosten über die Obergrenze nach § 255 Abs. 2 und Abs. 3 HGB hinaus nicht zulässig.[2] Insbesondere dürfen reine Forschungskosten sowie Vertriebskosten, welche dem Fertigungsauftrag nicht unmittelbar zurechenbar sind und die nicht gleichzeitig der Fertigungsvorbereitung dienen (beispielsweise Kosten für Provisionen und ähnliche Leistungen)[3] nicht in die Herstellungskosten einbezogen werden.

Im Gegensatz hierzu handelt es sich bei Kosten der Auftragserlangung, die gleichzeitig der Fertigung oder Fertigungsvorbereitung dienen, sowie eindeutig einem Auftrag zuordenbaren Entwicklungskosten um Bestandteile der Herstellungskosten (Rz. 69). Fremdkapitalzinsen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Finanzierung der Herstellung des im Zuge der langfristigen Auftragsfertigung geschaffenen Vermögensgegenstands stehen, dürfen ebenfalls als Herstellungskosten angesetzt werden.[4]

[1] Vgl. Kohl, Gewinnrealisierung bei langfristigen Aufträgen, 1994, S. 129 ff.; Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl. 2015, Teil M Rz. 1008; Kahle/Braun, in Hachmeister u. a., Bilanzrecht, 3. Aufl. 2022, § 252 HGB Rz. 167.
[2] Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 16. Aufl. 2021, S. 383; Marx/Löffler, in Böcking u. a., Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, 68. Erg.-Lief., B 700 Rz. 44 f., Stand: 8/2022; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 26. Aufl. 2021, S. 264; Kümpel, Gewinnrealisierung bei langfristiger Fertigung nach deutscher und US-amerikanischer Rechnungslegung, 2000, S. 171; Kahle/Braun, in Hachmeister u. a., Bilanzrecht, 3. Aufl. 2022, § 252 HGB Rz. 168; Kleindiek in Grundmann/Habersack/Schäfer, Staub HGB Großkommentar, 6. Aufl. 2021, § 252 HGB Rz. 37; offensichtlich a. A. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl. 2015, Teil M Rz. 1008.
[3] Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995, § 255 HGB Rz. 213; ähnlich Kahle/Braun, in Hachmeister u. a., Bilanzrecht, 3. Aufl. 2022, § 252 HGB Rz. 168.

3.3.2 Teilgewinnrealisierung durch echte Teilabnahmen

 

Rz. 74

Da die Completed-Contract-Methode zu unerwünschten Schwankungen im Ergebnisausweis führt, diskutiert die Literatur Sachverhaltsgestaltungen, um zu einer früheren Erfassung des Ergebnisses aus Fertigungsaufträgen zu gelangen.

 

Rz. 75

Voraussetzung für die Teilgewinnrealisierung durch echte Teilabnahmen ist eine vertragsgleiche Vereinbarung über selbstständig abgrenzbare Teilleistungen des Gesamtobjekts, die aus technischer Sicht teilabnahmefähig sind. Darüber hinaus muss der Auftraggeber zur verbindlichen Abnahme der Teilleistungen verpflichtet sein, wodurch entsprechend ein partieller Gefahrenübergang auf den Auftraggeber stattfindet.[1] Weitere Voraussetzung für die Teilgewinnrealisierung ist nach Literaturmeinung, dass aus dem Gesamtauftrag keine Verluste drohen bzw. keine großen Risiken bestehen.[2]

Dementsprechend kann auch keine Teilgewinnrealisierung vorgenommen werden, wenn trotz der Erbringung selbständig abgrenzbarer und abgenommener Teilleistungen, das Gesamtfunktionsrisiko bei dem die Leistung erbringenden Unternehmen verbleibt und später auftretende Funktionsstörungen die zuvor erfolgten Teilabnahmen gegenstandslos machen[3] und dieses Risiko nicht vernachlässigenswert gering ist.

 

Rz. 76

Die Voraussetzungen, unter denen echte Teilabnahmen stattfinden können, sind restriktiv; sie lassen sich im Regelfall insbesondere bei einem Auftrag, der die Lieferung einer Mehrzahl gleicher Produkte (z. B. Schiffe, Flugzeuge, Doppelhäuser) vorsieht, erfüllen.[4] Den Gesamtauftrag kann man in diesem Fall auch als "Rahmenvertrag mit in sich abgeschlossenen und abgegrenzten Teilleistungen"[5] interpretieren. Die Teilgewinnrealisierung durch echte Teilabnahmen entspricht unter den genannten Voraussetzungen in vollem Umfang dem Realisationsprinzip nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB.

[1] Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl. 2015, Teil M Rz. 1010; Kahle/Braun, in Hachmeister u. a., Bilanzrecht, 3. Aufl. 2022, § 252 HGB Rz. 169.
[2] Vgl. Freidank, DB 1999, S. 1200.
[3] Vgl. Kahle/Braun, in Hachmeister u. a., Bilanzrecht, 3. Aufl. 2022, § 252 HGB Rz. 169; Ballwieser in Schmidt/Ebke, Münchener Kommentar Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. 2020, § 252 HGB Rz. 65 sowie Brösel, in Petersen/Zwirner, Systematischer Praxiskommentar, 4. Aufl. 2020, § 252 HGB Rz. 49.
[4] Vgl. Krawitz, DStR 1997, S. 890; ähnlich Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 14. Aufl. 2022, § 252 HGB Rz. 125.
[5] Backhaus, ZfbF 1980, S. 360.

3.3.3 Teilgewinnrealisierung durch "kalkulatorische Teilabrechnungen"

 

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