Rz. 8

Der erste Schritt des in IFRS 15 verankerten 5-stufigen Erlösrealisierungsmodells ist die Identifikation von Verträgen mit Kunden. Diese beinhaltet 2 Elemente, einerseits das Vorliegen eines Vertrags an sich und andererseits die Abgrenzung des Vertrags (gegenüber anderen Verträgen).

 

Rz. 9

Nach IFRS 15.10 liegt ein Vertrag[1] erst zu dem Zeitpunkt vor, wenn alle in IFRS 15.9 a)–e) aufgeführten Kriterien vorliegen:

  • Zustimmung der Vertragsparteien zum Vertragsinhalt (verschiedene Formen möglich, wie beispielsweise schriftlich, mündlich),
  • Identifizierbarkeit der sich für die einzelnen (Vertrags-)Parteien aus dem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten in Bezug auf die zu übertragenden Güter und zu erbringenden Dienstleistungen,
  • Identifizierbarkeit der aus dem Vertrag resultierenden Zahlungsbedingungen,
  • wirtschaftliche Substanz des Vertrages (dies bedeutet, dass durch den Vertrag Risiken, Zeitpunkt und Höhe künftiger Zahlungsmittelströme des Unternehmens verändert werden) und
  • Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen im Austausch für die gelieferten Güter bzw. erbrachten Dienstleistungen die Gegenleistung, zu der es berechtigt ist, voraussichtlich erhalten wird. Zur Prüfung dieses Kriteriums sind Zahlungsfähigkeit und Zahlungswillen des Kunden zu prüfen.[2] Jedoch muss dieser Preis nicht notwendigerweise mit dem bei Vertragsabschluss vereinbarten Preis übereinstimmen; dieser Fall tritt insbesondere dann auf, wenn das Unternehmen dem Kunden nachträgliche Preiszugeständnisse einräumt.[3]
 

Rz. 10

Ein Umsatzerlös darf nach IFRS erst erfasst werden, wenn alle in IFRS 15.9 aufgeführten Kriterien erfüllt sind. Sofern ein Kundenvertrag bei Vertragsabschluss noch nicht alle Kriterien erfüllt, ist kontinuierlich zu überprüfen, ob die Kriterien des IFRS 15.9 zu einem nachfolgenden Zeitpunkt vorliegen.[4] Erhält das Unternehmen vor diesem Zeitpunkt Zahlungen, sind diese als Anzahlungen passivisch abzugrenzen[5]. Falls zu einem späteren Zeitpunkt die Kriterien des IFRS 15.9 erfüllt werden, ist ein Umsatzerlös erst zu diesem Zeitpunkt zu erfassen.[6]

Sofern zu keinem späteren Zeitpunkt die Kriterien des IFRS 15.9 vorliegen, sind Umsatzerlöse (aus den erhaltenen Anzahlungen) dann auszuweisen, wenn das Unternehmen keine verbleibenden Verpflichtungen zur Übertragung von Gütern oder der Erbringung von Dienstleistungen hat und die vom Kunden erhaltene Zahlung nicht rückerstattungspflichtig ist oder das Vertragsverhältnis beendet wurde und das Unternehmen die vom Kunden erhaltene Zahlung nicht zurückerstatten muss.[7]

 

Rz. 11

Waren hingegen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Kriterien des IFRS 15.9 erfüllt, so wird nur bei signifikanten Veränderungen in den Tatsachen und Umständen eine Neubeurteilung vorgenommen.[8] So hat z. B. der während der Vertragsdurchführung auftretende Verlust der Kreditwürdigkeit eines Kunden zur Folge, dass das Kriterium IFRS 15.9 e) nicht mehr vorliegt und ab diesem Zeitpunkt keine Umsatzerlöse mehr aus diesem Vertrag für die Zukunft erfasst werden dürfen (ausgenommen IFRS 15.15 greift ein! (Rz. 10)) und die gegenüber diesem Kunden bestehenden Forderungen aus bereits erfassten Umsatzerlösen nach Maßgabe des IFRS 9 auf das Vorliegen von Wertminderungen zu untersuchen sind.[9]

 

Rz. 12

Ebenfalls auf dieser Stufe ist der "Vertrag" abzugrenzen. Die Frage nach der Abgrenzung des "Vertrags" stellt sich immer dann, wenn zu einem Zeitpunkt oder in einem engen Zeitraum mehrere Verträge mit demselben Kunden geschlossen werden. Mehrere zu einem Zeitpunkt oder in einem engen Zeitraum mit ein und demselben Kunden abgeschlossene Verträge sind zu einem einzigen relevanten Vertrag zusammenzufassen, falls

  • die Verträge als Paket mit einem gemeinsamen wirtschaftlichen Ziel verhandelt worden sind, oder
  • die in einem Vertrag gezahlte Gegenleistung unmittelbar vom Preis oder einer Leistung aus einem anderen Vertrag abhängt oder
  • es sich bei den in unterschiedlichen Verträgen zugesagten Gütern und Dienstleistungen um eine einzige Leistungsverpflichtung i. S. d. IFRS 15.22–15.30 handelt.[10]
 

Rz. 13

Eine Zusammenfassung von Verträgen zu einem relevanten Vertrag kann beispielsweise in folgenden Fällen in Betracht kommen:

  • Abschluss eines Verlustvertrags mit einem Kunden sowie kompensatorischer Abschluss eines weiteren Vertrages mit hoher Gewinnmarge mit demselben Kunden[11] entweder gleichzeitig oder in unmittelbarer zeitlicher Nähe[12], wie beispielsweise der Abschluss eines Vertrages über den sehr günstigen Verkauf eines Smartphones und gleichzeitigem Abschluss eines Mobilfunkvertrages,
  • Abschluss eines Errichtungsvertrags über ein energieeffizientes Gebäude mit variabler Vergütungskomponente in Abhängigkeit der tatsächlichen Energieverbräuche bei gleichzeitigem Abschluss eines Vertrags über die Erbringung von Facility-Management-Leistungen (einschl. Steuerung der Energieverbräuche).[13]
 

Rz. 14

Obgleich grundsätzlich Verträge auf der Ebene von Einzelkunden betrachtet werden, gestattet IFRS 15.4 aus Praktikabilitätsgründen auch die...

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