Leitsatz

1. Die durch das JStG 2008 eingeführte pauschale und ausschüttungsunabhängige Nachbelastung des Endbestandes des EK 02 (§ 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 i.d.F. des JStG 2008) geht zwar mit einer unechten Rückwirkung einher; die bloße Erwartung, dass bei Verzicht auf Ausschüttungen bis zum Ablauf eines 15- bzw. später 18-jährigen Übergangszeitraumes eine Nachbelastung vermieden werden kann, begründet aber keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz.

2. Das durch § 34 Abs. 16 KStG 2002 i.d.F. des JStG 2008 eingeräumte Recht, für die Anwendung des bisherigen Rechts zu optieren, begründet zwar eine Besserstellung steuerbefreiter Körperschaften sowie bestimmter Körperschaften aus dem Bereich der Wohnungswirtschaft. Diese Besserstellung wird jedoch von sachlichen Gründen getragen und verstößt damit nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

3. Der unterschiedslose Einbezug sog. finanzschwacher Unternehmen in die KSt-Erhöhungsregelung des § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 i.d.F. des JStG 2008 wird wiederum von sachlichen Gründen getragen und verstößt ebenfalls nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

 

Normenkette

§ 34 Abs. 16, § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 i.d.F. des JStG 2008, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, betrieb im Streitjahr 2007 einen Entsorgungsfachbetrieb. Die drohende Insolvenz der Klägerin wurde Mitte der 90er Jahre durch einen Forderungsverzicht ihrer Gläubiger abgewendet. Der sich hieraus ergebende Sanierungsgewinn wurde vom FA nach § 3 Nr. 66 EStG 1990 (aufgehoben durch UntStFG vom 29.10.1997, BGBl I 1997, 2590) als steuerfrei behandelt und gemäß § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 2 KStG 1991 in den nicht mit KSt belasteten Teilbetrag des vEK (EK 02) eingestellt. Das FA stellte den (positiven) Endbetrag des EK 02 zum 31.12.2001 mit rd. 13,8 Mio. EUR fest (§ 36 Abs. 7 KStG 2002 i.d.F. des UntStFG vom 20.12.2001, BGBl I 2001, 3858). Der Endbetrag des EK 02 blieb unverändert und wurde in dieser Höhe letztmalig gemäß § 38 Abs. 4 KStG i.d.F. des JStG 2008 vom 20.12.2007 (BGBl I 2007, 3150) – KStG 2002 n. F. – zum 31.12.2006 festgestellt. Das steuerliche Einlagekonto wurde unverändert mit rd. 168.000 EUR festgestellt.

Das FA setzte demgemäß gegen die Klägerin einen KSt-Erhöhungsbetrag nach § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n.F. auf den 31.12.2007 auf rd. 416.000 EUR fest.

Mit ihrer dagegen gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, dass durch den festgesetzten KSt-Erhöhungsbetrag die damals gewährte Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 66 EStG 1990 wieder rückgängig gemacht werde. Nach der Rechtslage nach Umstellung des Anrechnungsverfahrens auf das sog. Halbeinkünfteverfahren wäre eine KSt-Erhöhung gem. § 38 Abs. 2 KStG 2002 a.F. mit Ablauf des 15. bzw. 18. Wirtschaftsjahres vollständig entfallen. Die erneute Änderung mit dem JStG 2008 führe nun zu einer Besteuerung. Diese Neuregelung sei verfassungswidrig, denn sie entfalte eine unzulässige Rückwirkung.

Das FG wies die Klage ab (FG Hamburg, Urteil vom 24.9.2012, 2 K 31/11, Haufe-Index 3477364, EFG 2013, 155).

 

Entscheidung

Der BFH hat das negative Diktum des FG bestätigt. Die Gründe dafür wurzeln ausschließlich im Verfassungsrecht. Und alles, was dazu zu sagen ist, ergibt sich aus den umfänglichen Urteilsgründen und deren in den Praxis-Hinweisen wiedergegebenen Kurzfassung.

 

Hinweis

1. Es ging im Urteilsfall letztlich allein um Verfassungsrecht: Verstößt die durch das JStG 2008 in § 38 Abs. 5 und 6KStG 2002 eingeführte pauschale und ausschüttungsunabhängige Nachbelastung des Endbestandes des EK 02 gegen das Rechtsstaats- und Leistungsfähigkeitsgebot?

Der BFH hat das im Ergebnis verneint. Das Ende der Fahnenstange wird das allerdings kaum bedeuten, dürfte doch gewiss sein, dass die unterlegene Klägerin über eine Verfassungsbeschwerde Erfolg beim BVerfG haben wird. Das Urteil ist in der Sache also wohl nur ein vorläufiges im Durchgangsstadium zum BVerfG.

2. Nach dem bis einschließlich 1999 geltenden KSt-Recht (sog. Anrechnungsverfahren) unterlag das zu versteuernde Einkommen einer Kapitalgesellschaft regelmäßig einem Steuersatz von 45 % (§ 23 Abs. 1 KStG 1996). Schüttete die Kapitalgesellschaft Gewinne aus, reduzierte sich die KSt auf 30 % (§ 27 Abs. 1 KStG 1996). Auch Ausschüttungen von unbelastetem vEK, dem EK 02, wurden grundsätzlich mit einem Steuersatz von 30 % belegt. Die KSt erhöhte oder minderte sich entsprechend um den Unterschiedsbetrag zwischen – einerseits – der bei der Kapitalgesellschaft eingetretenen Belastung des Eigenkapitals (Tarifbelastung), das nach § 28 KStG 1996 als für die Ausschüttung verwendet galt, und – andererseits – derjenigen Belastung, die sich hierfür bei Anwendung eines Steuersatzes von 30 % des Gewinns vor Abzug der KSt ergab (Ausschüttungsbelastung, § 27 Abs. 1 KStG 1996). Die hiernach im Ausschüttungsfall bei der Kapitalgesellschaft erhobene KSt i.H.v. 30 % des Ausschüttungsbetrages wurde unter bestimmten weiteren Voraussetzungen auf die vom Ausschüttungsempfänger zu zahlende Steue...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge