Leitsatz

1. Das durch § 34 Abs. 16 KStG 2002 i.d.F. des JStG 2008 eingeräumte Recht, für die Anwendung des bisherigen Rechts zu optieren und damit einer sofortigen, ausschüttungsunabhängigen Nachbelastung des Endbestandes des EK 02 zu entgehen, begründet eine Besserstellung steuerbefreiter Körperschaften sowie bestimmter Körperschaften aus dem Bereich der Wohnungswirtschaft.

2. Soweit sich diese Optionsmöglichkeit erstens nur auf in der Wohnungswirtschaft tätige Körperschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts beteiligt sind, erstreckt und zweitens diese Beteiligung zu mindestens 50 % mittelbar oder unmittelbar bestehen muss, ist unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 GG zu prüfen, ob es für diese unterschiedliche Behandlung innerhalb der Gruppe von Wohnungsunternehmen einen sachlichen Grund gibt.

3. Das BMF wird zum Beitritt aufgefordert und gebeten, Hinweise auf den Hintergrund der vom Gesetzgeber vorgenommenen Differenzierungen zu geben.

 

Normenkette

§ 34 Abs. 16, § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 i.d.F. des JStG 2008, § 122 Abs. 2 FGO, Art. 3 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, ist in der Wohnungswirtschaft tätig; sie errichtet, vermietet, erwirbt und veräußert u.a. Wohnungen. Vor ihrer Privatisierung in den Jahren 1998 und 2001 war ein Bundesland ihr Anteilseigner gewesen.

Nach dem Wegfall der früheren persönlichen Steuerbefreiung für gemeinnützige Wohnungsunternehmen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG 1984 durch das StRefG 1990 vom 25.7.1988 hatte die Klägerin in der letzten steuerlichen Schlussbilanz auf den 31.12.1990 ihre Wohnungsbestände gem. § 13 Abs. 2 und 3 KStG 1984 auf die deutlich höheren Teilwerte aufgestockt. Der aus der Aufstockung erzielte Gewinn blieb steuerfrei. In der Gliederungsrechnung erfasste die Klägerin das hieraus resultierende steuerliche (Mehr-)Eigenkapital als Teilbetrag i.S.d. § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1991 (EK 02) i.H.v. rd. 4,5 Mio. DM. Durch steuerliche Verluste und Ausschüttungen bestand zum 31.12.2001 ein EK 02 i.H.v. rd. 3,1 Mio. DM (= rd. 1,6 Mio. EUR). Dieses fortgeschriebene EK 02 betrug aufgrund einer im Jahr 2002 erfolgten Verschmelzung zum 31.12.2006 rd. 1,8 Mio. EUR.

Die Klägerin beantragte unter Bezugnahme auf § 34 Abs. 16 Satz 1 KStG 2002 n.F. (i.d.F. des JStG 2008) die Weiteranwendung der §§ 38, 40 KStG 2002 a.F. (i.d.F. des JStG 2007) sowie des § 10 UmwStG 2006 (i.d.F. des SEStEG). Mit dem Antrag sollte eine Feststellung des KSt-Erhöhungsbetrages nach § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n.F. mit der daran anschließenden (abgeltenden) Besteuerung i.H.v. 3/100 dieses Betrages verhindert werden.

Das FA setzte den KSt-Erhöhungsbetrag i.H.v. rd. 56,3 Mio. EUR fest und lehnte zugleich den Antrag nach § 34 Abs. 16 Satz 1 KStG 2002 n.F. ab, da die Klägerin nicht die gesetzlichen Voraussetzungen der Norm erfülle und ihr deren persönlicher Anwendungsbereich nicht eröffnet sei.

Die dagegen erhobene Sprungklage blieb erfolglos. Das FG wies die Klage ab. Es hält – erstens – die auf § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n.F. beruhende Festsetzung eines KSt-Erhöhungsbetrages und – zweitens – auch die Versagung des Antragsrechts bzw. Wahlrechts nach § 34 Abs. 16 KStG 2002 n.F. nicht für verfassungswidrig (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.8.2013, 8 K 8289/10, Haufe-Index 6351078).

 

Entscheidung

Der BFH hat in seinem Urteil vom 10.12.2014, I R 76/12 die Antwort auf den Verfassungszweifel in dem ersten Punkt – gegen die auf § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n.F. beruhende Festsetzung eines KSt-Erhöhungsbetrages – gegeben. Er hat sich damit im Ergebnis auch in dem hier vorzustellenden Fall auf die Seite des FG und des FA geschlagen. In dem zweiten Punkt – die Versagung des Antragsrechts bzw. Wahlrechts nach § 34 Abs. 16 KStG 2002 n.F. – bleiben aber Unsicherheiten. Diese ergeben sich im Einzelnen aus den Praxis-Hinweisen. Sie haben den BFH veranlasst, das BMF zum Verfahrensbeitritt aufzufordern.

 

Hinweis

1. Der Sach- und Rechtshintergrund und die einschlägigen Probleme "um" die Übergangsregelungen vom Anrechnungs- zum (seinerzeitigen) Halbeinkünfteverfahren sind bekannt. Soweit diese den KSt-Erhöhungsbetrag in § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 betrifft, ergeben sie sich plastisch aus dem BFH-Urteil vom 10.12.2014, I R 76/12, das Sie auf Seite 238 in diesem Heft finden. Daraus ergibt sich alles Notwendige zum Einstieg und Verständnis.

Dort wird (unter 7. in den Praxis-Hinweisen) auch bereits das Spezialproblem erwähnt, welches den BFH im Besprechungsbeschluss bewogen hat, das BMF zum Verfahrensbeitritt aufzufordern.

2. Nach § 34 Abs. 16 KStG 2002 n.F. wird steuerbefreiten Körperschaften und bestimmten Unternehmen aus dem Bereich der Wohnungswirtschaft das Recht eingeräumt, für die Anwendung des bisherigen Rechts und damit zu einer ausschüttungsabhängigen Besteuerung des EK-02-Bestandes zu optieren.

Antragsberechtigt sind Körperschaften der Wohnungswirtschaft, an denen unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 50 % juristische Personen des öffentlichen Rechts aus EU-/EWR-Mitgliedstaaten oder gem. § 5 Abs....

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