Leitsatz

1. Kostenerstattung kann auch beansprucht werden, wenn sich der Einspruch nicht gegen eine Kindergeldfestsetzung richtet, sondern gegen den als Abrechnungsbescheid zu qualifizierenden Hinweis, dass wegen des Erstattungsanspruchs eines Sozialleistungsträgers kein Kindergeld an den Berechtigten gezahlt wird.

2. Der Einspruch ist auch dann erfolgreich, wenn er von der Familienkasse nicht im Sinne des Einspruchsführers formell beschieden wird, sondern sein wirtschaftliches Interesse durch unmittelbare Zahlung des Sozialleistungsträgers an ihn erfüllt wird.

3. Der Einspruch ist vollen Umfangs erfolgreich, wenn während des Einspruchsverfahrens zu keinem Zeitpunkt mehr als der letztlich zugesprochene Betrag gefordert wurde.

 

Normenkette

§ 74 Abs. 2, § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 218 Abs. 2 AO

 

Sachverhalt

Die Familienkasse setzte antragsgemäß Kindergeld ab August 2012 fest und führte aus, dass der Anspruch für August 2012 bis Februar 2013 als erfüllt gelte, weil die Stadt D aufgrund der von ihr ohne Anrechnung von Kindergeld gewährten Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in dieser Höhe einen Erstattungsanspruch geltend gemacht habe (§ 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 103, § 104 SGB X). Für diesen Zeitraum werde daher kein Kindergeld an den Kläger ausgezahlt.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers legte Einspruch ein und wandte sich direkt an die Stadt D, welche nach einer Überprüfung feststellte, dass der geltend gemachte Erstattungsanspruch um 49,04 EUR überhöht gewesen war, und die 49,04 EUR direkt an den Kläger auszahlte.

Der Prozessbevollmächtigte teilte dies der Famili­enkasse mit und beantragte, der Familienkasse die Kosten des Einspruchsverfahrens aufzuerlegen und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Einspruchsverfahren für notwendig zu erklären, weil dem Einspruch damit abgeholfen worden sei. Die Familienkasse lehnte die Kostenerstattung ab.

Die Klage hatte Erfolg (FG Münster, Urteil vom 21.8.2014, 11 K 2070/13 Kg, Haufe-Index 7281520, EFG 2014, 1994).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision der Familienkasse als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Wenn nur die Ablehnung der Kostenerstattung für einen Einspruch in Kindergeldsachen angefochten werden soll, die – wie hier – isoliert ergangen ist, muss ein Vorverfahren durchgeführt werden (§ 44 Abs. 1 FGO). Hat die Familienkasse dagegen die Kostenerstattung im Rahmen einer Einspruchsentscheidung abgelehnt, so ist sogleich Klage zu erheben (BFH, Urteil vom 13.5.2014, III R 8/14, BFH/PR 2015, gleiches Heft).

2.§ 77 Abs. 1 Satz 1 EStG regelt den Anspruch auf Ersatz der zur Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen, soweit ein Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung erfolgreich ist. Mit Urteil vom 26.6.2014, III R 39/12 (BFH/NV 2014, 1929BFH/PR 2015, 50) hatte der BFH bereits entschieden, dass die Kostenerstattung über den Wortlaut der Vorschrift hinaus auch beansprucht werden kann, wenn der Einspruch nicht die Festsetzung, sondern die Abzweigung des Kindergeldes nach § 74 Abs. 1 EStG betrifft. Das wurde nun auf Einsprüche gegen Abrechnungsbescheide ausgeweitet, die ebenfalls zum Erhebungsverfahren gehören und in ihren Auswirkungen Abzweigungsentscheidungen entsprechen, da in beiden Fällen das zugunsten des Kindergeldberechtigten festgesetzte Kindergeld nicht an diesen, sondern an einen Dritten ausgezahlt wird.

3. Ein Einspruch ist auch dann erfolgreich, wenn ihm nicht von der Familienkasse formell abgeholfen wird, sondern dem wirtschaftlichen Interesse des Einspruchsführers auf andere Weise entsprochen wird. Für den Anspruch auf Kostenerstattung ist dann maßgeblich, wie die Familienkasse ohne das erledigende Ereignis hätte entscheiden müssen. Das schließt aber eine Kostenerstattungspflicht der Familienkasse aus, wenn sich ein gegen die Rückforderung von Kindergeld eingelegter Einspruch durch die Weiterleitungsbestätigung des tatsächlich Berechtigten erledigt, da Rückforderung einerseits und Auszahlung an den tatsächlich Berech­tigten andererseits dann nur aus Billigkeits- und Vereinfachungsgründen unterbleiben.

4. Der Kostenerstattungsanspruch des Einspruchsführers setzt kein Verschulden der Familienkasse voraus. Er bestünde mithin auch dann, wenn die Fa­milienkasse die Höhe des von einem Sozialhilfeträger unzutreffend mitgeteilten Erstattungsanspruchs ungeprüft übernehmen durfte.

5. Ein Kostenerstattungsanspruch besteht nicht, soweit der Einspruch teilweise ohne Erfolg geblieben ist. Der Kläger hatte hier wegen eines Erstattungsanspruchs von 1.288 EUR Einspruch eingelegt, ohne sein Begehren zu beziffern oder zu spezifizieren. Obwohl der Erstattungsanspruch um lediglich 49 EUR herabgesetzt wurde, war sein Einspruch in vollem Umfang erfolgreich, weil er zu keinem Zeitpunkt mehr als die erhaltenen 49 EUR gefordert hatte.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 23.6.2015 – III R 31/14

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