Leitsatz

Der Kläger, dessen Revision zurückgewiesen wird, hat die Kosten des Revisionsverfahrens auch zu tragen, wenn der angefochtene Verwaltungsakt auf Vorschriften beruht, die zwar verfassungswidrig sind, deren Anwendung im Streitfall aber aufgrund einer entsprechenden Anordnung des BVerfG zulässig ist.

 

Normenkette

§ 182 Abs. 2 Satz 1 AO, § 135 Abs. 2 FGO, § 34a Abs. 3 BVerfGG

 

Sachverhalt

Der Kläger erwarb in 2008 Teileigentum in einem Mehrfamilienhaus, das 1983 in Wohnungseigentum aufgeteilt worden war. Das FA rechnete dem Kläger das Objekt durch Bescheid zum 1.1.2009 zu und verwies auf die Wertfestellung gegenüber dem Rechtsvorgänger. Der Kläger war der Ansicht, dass der gegenüber dem Voreigentümer ergangene Einheitswertbescheid ihm – dem Kläger – gegenüber keine Rechtswirkung entfalten könne, weil die einschlägigen Vorschriften zur Einheitsbewertung des Grundvermögens verfassungswidrig seien. Die Vorinstanz (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.2.2013, 3 K 3190/09, Haufe-Index 3688542, EFG 2013, 914) wies die Klage, mit welcher der Kläger die ersatzlose Aufhebung des Einheitswerts begehrt hatte, ab. Die Voraussetzungen für eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung seien nicht erfüllt und die Vorschriften des Bewertungsgesetzes zur Einheitsbewertung seien am 1.1.2009 noch verfassungsgemäß gewesen. Mit der Revision verfolgte der Kläger sein Ziel zunächst weiter. Mit Beschluss vom 22.10.2014 (II R 16/13) legte der BFH dem BVerfG die Frage vor, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens zum 1.1.2009 wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig seien.

Nach der Entscheidung des BVerfG waren die entscheidungserheblichen Vorschriften der Einheitsbewertung zwar im Feststellungszeitpunkt 1.1.2009 nicht mehr verfassungsgemäß. Nach dem Urteil des BVerfG vom 10.4.2018 (1 BvL 11/14, DStR 2018, 791) ist die Ungleichbehandlung durch Wertverzerrungen nicht gerechtfertigt, mithin mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar; eine gesetzliche Neuregelung ist bis Ende 2019 geboten. Zulässig ist aber eine weitere Anwendung der betroffenen Normen bis 31.12.2019 sowie nach Verkündung einer Neuregelung bis längstens 31.12.2024.

Der Kläger war deshalb nunmehr der Ansicht, der Einheitswert müsse im Wege einer Schätzung herabgesetzt werden.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen und die Kosten des Revisionsverfahrens dem Kläger auferlegt.

Der Senat weist darauf hin, dass die einschlägigen Vorschriften zur Einheitsbewertung entgegen der Ansicht des FG im Feststellungszeitpunkt 1.1.2009 noch angewandt werden dürfen: Der Kläger ist gemäß § 182 Abs. 2 Satz 1 AO als Rechtsnachfolger an den Bescheid gegenüber seinem Rechtsvorgänger gebunden; eine lediglich griffweise Schätzung des Werts ist nicht möglich.

Die Kostentragungspflicht für die Einlegung eines Rechtsmittels ohne Erfolg gemäß § 135 Abs. 2 FGO gilt auch dann, wenn das BVerfG die streitentscheidenden Vorschriften zwar rückwirkend für verfassungswidrig erklärt hat, aber deren weitere Anwendung zulässt und ein angegriffener Verwaltungsakt deshalb nicht aufzuheben ist. Dieses Ergebnis entspricht auch der Rechtsprechung des BVerfG.

Über eine Kostentragungspflicht des FA für Auslagen, die dem Kläger im Verfahren vor dem BVerfG entstanden sind, ist vorliegend nicht zu entscheiden. Die Erstattung von Auslagen kann nur von dem BVerfG selbst angeordnet werden.

 

Hinweis

Materiell geht es im Besprechungsfall ein weiteres Mal um die Einheitsbewertung als Grundlage für die Grundsteuer. Der Kläger verliert den vorliegenden Rechtsstreit, weil das BVerfG eine Fortgeltung der verfassungswidrigen Vorschriften zur Einheitsbewertung angeordnet hat.

Hierin liegt die Besonderheit des Falles. Der Kläger gehört mit seinem Verfahren zu den Fällen, die dem BVerfG zur Prüfung vorgelegt wurden. Dort hat er zwar insofern "gewonnen", als das BVerfG einen Verstoß von Normen der Einheitsbewertung gegen Art. 3 Abs. 1 GG festgestellt hat. Die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes führt jedoch nicht zu ihrer Nichtigkeit, sondern lediglich zur Feststellung ihrer Unvereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz. Die bloße Unvereinbarkeitserklärung einer verfassungswidrigen Norm ist nach Auffassung des BVerfG regelmäßig geboten, wenn der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, den Verfassungsverstoß zu beseitigen. Das ist grundsätzlich bei Verletzungen des Gleichheitssatzes der Fall. Stellt das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit einer Norm mit Art. 3 Abs. 1 GG fest, folgt daraus in der Regel die Verpflichtung des Gesetzgebers, die Rechtslage verfassungsgemäß umzugestalten.

Obwohl damit der Kläger vor dem BVerfG "gewonnen" hat, muss er gleichwohl die Kosten des Verfahrens tragen. Insofern handelt es sich um einen teuren Erfolg, der darauf zurückzuführen ist, dass das Kostenrecht keine ausdrückliche Möglichkeit der Berücksichtigung von Unvereinbarkeitserklärungen des BVerfG hat.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.05.2018 – II R 16/13

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