Rz. 11

Wahlrechte und Ermessensspielräume in der Konzernrechnungslegung machen es erforderlich, stärkeres Gewicht auf die qualitative Konzernabschlussanalyse zu legen, die es zum Ziel hat, die Berichterstattung im Konzernanhang und im Konzernlagebericht auszuwerten. Dabei ist zwischen der semiotischen Konzernabschlussanalyse und der Analyse des Einsatzes des bilanzpolitischen Instrumentariums zu unterscheiden.

 

Rz. 12

Bei der semiotischen Konzernabschlussanalyse werden folgende Bereiche untersucht: die Genauigkeit einzelner Aussagen, die Wortwahl sowie das Ausmaß der freiwilligen Berichterstattung.

 

Rz. 13

Bei der Analyse des bilanzpolitischen Instrumentariums wird zunächst untersucht, ob sich Tendenzen bei der Ausnutzung von Wahlrechten hin zu einer Verbesserung oder Verschlechterung des Konzernergebnisses erkennen lassen. Bei der Analyse des bilanzpolitischen Instrumentariums sind sowohl materielle als auch formelle Wahlrechte zu berücksichtigen.[1] Allerdings fehlen seit dem BilMoG viele Wahlrechte, sodass die wichtige Signalfunktion von Wahlrechten fehlt. Nach der sogenannten "Eisberghypothese" wird in der Abschlussanalyse davon ausgegangen, dass der Großteil der Bilanzpolitik nicht sichtbar ("unter der Wasseroberfläche") stattfindet. Die angabepflichtige Wahlrechtsnutzung macht dagegen nur noch einen sehr kleinen Teil aus und kann auch aktuell nach dem HGB gar nicht mehr so eindeutig eingeschätzt werden. So spricht die Aktivierung von Entwicklungsaufwendungen einerseits für eine progressive (aufwandsreduzierende) Bilanzpolitik, andererseits zeigt die Nutzung des Wahlrechts aber auch, dass das Rechnungswesen im Bereich der Forschung und Entwicklung gut ausgestaltet ist und der Konzern sich um eine periodengerechte und transparente Gewinnermittlung bemüht.

Anschließend wird analysiert, ob sich Konsolidierungs-, Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden gegenüber dem Vorjahr verändert haben und somit bestehende Wahlrechte anders ausgeübt werden.[2] In einem letzten Schritt wird der Frage nachgegangen, warum gerade bestimmte Maßnahmen innerhalb des Konzerns ergriffen wurden. In der Praxis sind dabei sehr häufig folgende 4 Konstellationen zu beobachten (ebenso beim Einzelabschluss):

  • Konzerne, die eine sehr gute Vermögens-, Finanz- und Ertragslage aufweisen, bilanzieren eher konservativer, d. h., sie berücksichtigen ergebnismindernde Maßnahmen, um ein möglichst geringes Konzernergebnis zu zeigen und stille Reserven aufzubauen.
  • Konzerne, die eine sehr schlechte Vermögens-, Finanz- und Ertragslage aufweisen, bilanzieren eher progressiv, d. h., sie berücksichtigen ergebnisverbessernde Maßnahmen, um ein höheres Konzernergebnis zu zeigen (Abbau von stillen Reserven, Legung von stillen Lasten).
  • Konzerne, die sehr wenig Bericht erstatten oder keine eindeutigen Aussagen formulieren, versuchen in der Regel, die Lage zu "verschleiern".
  • Bei einem Vorstandswechsel ist häufig zu beobachten, dass das letzte Jahr des scheidenden Vorstands besonders gut ausfällt (progressive Bilanzpolitik für einen guten Abgang), das erste Jahr des Nachfolgers ist dann häufig negativ beeinflusst, da "mit Fehlprojekten des Vorgängers aufgeräumt" wird, um dann in den Folgejahren von dieser niedrigen Basis überzeugendere Ergebnisse zu erreichen und damit die eigene Leistung zu unterstreichen.
 

Rz. 14

Ein Modell, welches die quantitative und die qualitative Konzernbilanzanalyse zusammenführt, ist z. B. das Saarbrücker Modell von Küting/Weber.[3] Im Rahmen der qualitativen Konzernbilanzanalyse wird die Beurteilung der Ertragsstärke anhand eines sog. Scoring-Verfahrens ermittelt. Hierzu werden zunächst 4 Kennzahlen (Eigenkapitalquote, Return on Investment, Cashflow zu Umsatz und Cashflow zu Gesamtkapitalrentabilität) ermittelt. Den einzelnen Ausprägungen jeder Kennzahl werden auf Basis langjähriger Datensammlung und Datenauswertung Punkte zugeordnet und eine Gesamtpunktzahl durch Addition ermittelt. Anhand der Gesamtpunktzahl erfolgt eine Einstufung in 5 Ertragsstärkenklassen (außergewöhnlich ertragsschwach, unterdurchschnittlich ertragsstark, durchschnittlich ertragsstark, überdurchschnittlich ertragsstark, außergewöhnlich ertragsstark).

[2] Zum Prinzip der Bewertungsstetigkeit vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB.
[3] Vgl. Küting/Weber, in Küting/Weber, Handbuch der Konzernrechnungslegung, 2. Aufl. 1998, Rz. 444 ff.

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