OFD Münster, 13.8.2009, S 2745 - 140 - St 13 - 33

Bezug: BMF-Schreiben vom 4.12.2008, S 2745/07/10003, DOK 2008/0612175, BStBl 2008 I S. 1033 zur Anwendung der Urteile des BFH vom 5.6.2007, I R 106/05 und BFH vom 5.6.2007, I R 9/06

Eine Vielzahl von Einspruchsverfahren im Zusammenhang mit der Anwendung von § 8 Abs. 4 KStG ruhte bisher wegen Zweifeln am verfassungsgemäßen Zustandekommen dieser Vorschrift (§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO). Die zugrundeliegenden Verfahren sind inzwischen durch Beschluss des BVerfG vom 15.1.2008, 2 BvL 12/01 sowie durch Aufhebung des BFH-Vorlagebeschlusses BFH vom 22.8.2006, I R 25/06, BStBl 2007 II S. 793 erledigt (siehe hierzu auch das BFH-Urteil vom 27.8.2008, I R 78/01). Zwar hat das BVerfG die Neufassung von § 8 Abs. 4 KStG für verfassungswidrig erklärt, mangels Evidenz dieses Verfassungsverstoßes ist die Vorschrift gleichwohl anwendbar. Die Bearbeitung der bisher ruhenden Einspruchsverfahren kann mithin wieder aufgenommen werden; ausgenommen sind lediglich noch Fälle, die unter Hinweis auf das Verfahren I R 95/04 ruhen (vgl. hierzu Entscheidung des BFH vom 8.10.2008, I R 95/04 über die Einholung der Entscheidung des BVerfG, Az. 2 BvL 2/09).

Zu den Aussagen des o.a. BMF-Schreibens gebe ich folgende ergänzende Hinweise:

1. Für das Vorliegen einer schädlichen Betriebsvermögenszuführung kommt es nach dem BMF-Schreiben vom 16.4.1999, IV C 6 – S 2745 – 12/99, BStBl 1999 I S. 455 darauf an, ob im konkreten Einzelfall ein Branchenwechsel vorliegt:

  1. Liegt kein Branchenwechsel vor, so ist zu prüfen, ob das über Einlagen und Fremdmittel zugeführte Aktivvermögen das im Zeitpunkt der Anteilsübertragung vorhandene Aktivvermögen übersteigt (Tz. 9 des o.a. BMF-Schreibens vom 16.4.1999). Hier gilt also keine gegenständliche, sondern eine ausschließlich saldenmäßige Betrachtung.
  2. In Fällen des Branchenwechsels wird die Betriebsvermögenszuführung hingegen nach der sog. gegenständlichen Betrachtungsweise ermittelt, bei der es auf die gegenständliche Zusammensetzung des Aktivvermögens vor bzw. nach dem Branchenwechsel ankommt (Tz. 10 des o.a. BMF-Schreibens vom 16.4.1999).

Die beiden BFH-Urteile vom 5.6.2007 und die diesbezüglichen Ausführungen in Abschnitt I des BMF-Schreibens vom 4.12.2008 betreffen ausschließlich Fälle des Branchenwechsels und einem Branchenwechsel vergleichbare Sachverhalte. Hieraus folgt:

  1. Liegt kein Branchenwechsel vor, sind unverändert die Grundsätze der o.a. Tz. 9 des BMF-Schreibens vom 16.4.1999 anzuwenden.
  2. Liegt ein Branchenwechsel vor, ergeben sich aus den beiden o.a. BFH-Urteilen im Prinzip keine neuen rechtlichen Gesichtspunkte, weil hier – wie oben dargestellt – eine weitestgehende Übereinstimmung zwischen der BFH-Rechtsprechung und der Verwaltungsauffassung besteht.

2. Hinsichtlich der Anwendung des Abzugsverbotes im Jahr der schädlichen Anteilsübertragung (Abschnitt II des BMF-Schreibens) ist unter verfahrensrechtlichen Aspekten wie folgt zu differenzieren:

  1. Sind Anteilsübertragung und Betriebsvermögenszuführung vor Veröffentlichung der BFH-Urteile vom 5.6.2007 erfolgt, ist Einsprüchen und zulässigen Anträgen für den VZ der schädlichen Betriebsvermögenszuführung abzuhelfen. Gleichzeitig ist der Verlustabzug für den VZ des schädlichen Anteilseignerwechsels – außerhalb von § 164 Abs. 2 AO – regelmäßig gem. § 174 Abs. 4 Satz 1 AO (innerhalb der in Satz 3 und 4 der Vorschrift genannten Frist) zu versagen.
  2. Folgt der Anteilsübertragung die schädliche Betriebsvermögenszuführung erst nach Veröffentlichung der o.g. Urteile, ist der VZ der schädlichen Anteilsübertragung i.d.R. nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern.

In beiden Fällen (a und b) ist zu beachten, dass in Folgejahren bisher ggf. abgezogene Verlustvorträge entsprechend zu korrigieren sind; VZ-übergreifende Änderungen bedürfen daher der einheitlichen Bearbeitung.

Beispiel zur Vorgehensweise:

Schädlicher Anteilseignerwechsel 31.12.2004
Schädliche Betriebsvermögenszuführung 31.12.2005
Verbleibender Verlustabzug 31.12.2003 400.000 EUR
Verlust 2004 30.000 EUR
Verbleibender Verlustabzug 31.12.2004 430.000 EUR
Verlust 2005 50.000 EUR
Verlustabzug vor Anwendung von § 8 Abs. 4 KStG 480.000 EUR
Anwendung von § 8 Abs. 4 KStG aufgrund der schädlichen  
Betriebsvermögenszuführung zum 31.12.2005 480.000 EUR
Verbleibender Verlustabzug 31.12.2005 0 EUR
Gewinn 2006 (keine Verlustverrechnung wg. § 8 Abs. 4 KStG) 20.000 EUR

Die GmbH legt gegen den Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12.2005 Einspruch ein, macht die Anwendung der BFH-Rechtsprechung geltend und beantragt die Aussetzung der Vollziehung des Verlustfeststellungsbescheides (insoweit Grundlagenbescheid für die KSt-Bescheide der Folgejahre); daraufhin wurde AdV für die KSt 2006 gewährt.

Lösung:

Dem Einspruch ist stattzugeben und der Verlust zum 31.12.2005 antragsgemäß mit 480.000 EUR festzustellen.

Sodann ist der Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12.2004 (Jahr des Anteilseignerwechsels) nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO zu ändern. Festzustellen ist ein Betrag von 0 EUR.

Anschließend ist der ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge