Wurde die Vorjahresgrenze von 22.000 EUR eingehalten, kommt es für das laufende Jahr darauf an, dass die Umsätze voraussichtlich 50.000 EUR nicht übersteigen werden. Hier ist also eine Prognose zu Beginn des Kalenderjahres erforderlich. Ist danach ein voraussichtlicher Umsatz zuzüglich der Steuer von nicht mehr als 50.000 EUR zu erwarten, ist dieser Betrag auch dann maßgebend, wenn der tatsächliche Umsatz zuzüglich der Steuer im Laufe des Kalenderjahres die Grenze von 50.000 EUR überschreitet.[1]

 
Praxis-Tipp

Die wichtige Umsatzprognose

Steuerliche Berater sollten deshalb ihre "Kleinunternehmer" fortlaufend darauf hinweisen, dass diese zu Beginn eines jeden Jahres eine detaillierte und von nachvollziehbaren Annahmen gestützte Umsatzprognose[2] aufstellen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Finanzverwaltung nachträglich nicht einkalkulierte Umsatzsteuerbeträge einfordert.

Grundsätzlich gilt hier das Alles-oder-Nichts-Prinzip. Auch wenn die Umsatzgrenze des Vorjahres nur um einen EUR überschritten wird, muss zur Regelbesteuerung gewechselt werden.

Oft führen die Arbeitsabläufe in der Praxis dazu, dass das Überschreiten der Umsatzgrenze im Vorjahr vom steuerlichen Berater erst im Laufe des nächsten Jahres gemerkt wird, insbesondere wenn er nicht mit der Finanzbuchhaltung beauftragt ist.

 
Praxis-Beispiel

Vorjahresgrenze beachten

Frau Pfaff betreibt eine kleine Änderungsschneiderei in eigenen Räumlichkeiten. Sie erzielte im Jahr 2020 Umsätze von 22.500 EUR und wendet sich im Juli 2021 mit ihren Unterlagen an ihren Steuerberater zur Erstellung der Steuererklärungen. In den letzten Jahren wurde stets die Kleinunternehmerregelung beansprucht, da Frau Pfaff die Änderungsschneiderei in eigenen Räumlichkeiten betreibt und ihr keine größeren, mit Vorsteuer belasteten Kosten entstehen.

Weil der Umsatz des Jahres 2020 die Grenze von 22.000 EUR überschritten hat, ist für das laufende Jahr 2021 zwingend Umsatzsteuer abzuführen – selbst dann, wenn im laufenden Jahr die Grenze von 22.000 EUR voraussichtlich nicht überschritten wird.[3] Auf das Einhalten der 50.000 EUR-Grenze kommt es nicht (mehr) an. Frau Pfaff schuldet daher für alle bereits in 2021 ausgeführten Umsätze die Umsatzsteuer, auch wenn sie sich dieses Umstandes gar nicht bewusst war. Außerdem ist sie zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen verpflichtet.[4]

Neben dem verwaltungstechnischen Mehraufwand (Korrektur der Abrechnungen etc.) besteht gerade bei solchen oder ähnlichen Nebengewerben die große Gefahr, dass der "Anspruch" auf nachträgliche (zusätzliche) Umsatzsteuerzahlungen der Kunden nicht mehr durchgesetzt werden kann bzw. der Aufwand für eine solche Durchsetzung unverhältnismäßig hoch ist. Deshalb sollten solche Mandanten fortlaufend auf die Bedeutung der 22.000 EUR-Grenze hingewiesen werden.

 
Praxis-Tipp

Ordentliche Belege sind immer wichtig

Der zwingende Wegfall der Kleinunternehmer-Besteuerung führt andererseits dazu, dass das Vorsteuerabzugsrecht auflebt. Mangels vorhergehender Relevanz scheitert ein Vorsteuerabzug aber oftmals an fehlenden bzw. nicht ordnungsgemäßen Belegen. Deshalb sollten auch Kleinunternehmer vorsichtshalber stets darauf hingewiesen werden, dass sie für Eingangsleistungen ordnungsgemäße Abrechnungen mit gesondertem Steuerausweis erhalten, selbst wenn diese für den Vorsteuerabzug zunächst ohne Relevanz sind.

[2] Vgl. hierzu auch Kirchinger/Dachauer, MwStR 2020, S. 655.
[4] Beispiel nach Christ, Umsatzsteuer direkt digital Nr. 7/2017, S. 14.

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