Leitsatz

1. Für die Berücksichtigung eines volljährigen, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Kindes beim Kindergeld ist erforderlich, dass sich das Kind tatsächlich bei der Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender gemeldet und die Tatsache seiner künftigen oder gegenwärtigen Arbeitslosigkeit angezeigt hat (Anschluss an die BFH-Urteile vom 26. Juli 2012 VI R 98/10, BFHE 238, 126, BStBl II 2013, 443, und vom 18. Juni 2015 VI R 10/14, BFHE 250, 145, BStBl II 2015, 940).

2. Die Meldung als Arbeitsuchender ist nicht allein deshalb entbehrlich, weil das volljährige, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehende Kind arbeitsunfähig erkrankt ist; dies gilt jedenfalls dann, wenn das Kind tatsächlich nicht daran gehindert ist, sich bei der Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender zu melden.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG, § 15 Satz 2, § 118, § 119 Abs. 1 SGB III i.d.F. der Jahre 2007 und 2008, § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist Mutter des im Juli 1987 geborenen Sohnes R, für den sie fortlaufend Kindergeld bezog. R war nach Arbeitslosigkeit ab November 2007 bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt und erlitt bereits in diesem Monat bei einem Arbeitsunfall eine Quetschung der linken Hand sowie eine Mehrfragmentfraktur des linken Zeigefingers. Infolge des Unfalls war er bis September 2008 arbeitsunfähig und bezog Verletztengeld. Die Zeitarbeitsfirma kündigte das Arbeitsverhältnis zum Dezember 2007. Erst im Oktober 2008 meldete sich R arbeitsuchend.

Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung ab Oktober 2007 auf und forderte das für Oktober 2007 bis Juli 2008 gezahlte Kindergeld zurück.

Die Klage hatte keinen Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 6.11.2014, 14 K 1085/13 Kg, Haufe-Index 8732158). Das FG führte aus, R sei nach der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nicht als Arbeitsuchender gemeldet und an einer Meldung auch tatsächlich nicht gehindert gewesen.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Der Ausgangspunkt des Besprechungsurteils kann als banal bezeichnet werden: Die Berücksichtigung eines volljährigen, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Kindes beim Kindergeld erfordert, dass sich das Kind tatsächlich bei der Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender meldet und seine gegenwärtige oder künftige Arbeitslosigkeit anzeigt.

Das Urteil befasst sich unter mehreren Aspekten mit der Frage, ob das Meldeerfordernis entfällt, wenn das Kind infolge eines Arbeitsunfalls arbeitsunfähig erkrankt ist.

2. Die Arbeitsunfähigkeit steht einer Meldung als Arbeitsuchender bei der Agentur für Arbeit nicht entgegen, weil diese keine Verfügbarkeit voraussetzt. Arbeitsuchende sind Personen, die eine Beschäftigung als Arbeitnehmer suchen; der Annahme und Führung eines Arbeitsgesuches steht es nicht entgegen, wenn das Leistungsvermögen des Arbeitsuchenden eingeschränkt oder vorübergehend aufgehoben ist. Der Arbeitsuchende muss grundsätzlich vermittlungsfähig sein, nicht erforderlich ist jedoch, dass er verfügbar ist (BFH, Urteil vom 7.4.2011, III R 24/08, BFH/NV 2011, 1229, betr. Kind ohne Arbeitsgenehmigung).

3. Der Nachweis der Meldung als Arbeitsuchender kann außer durch Bescheinigung der Meldung durch die Agentur für Arbeit auch durch Bezug von Arbeitslosengeld nach dem SGB III nachgewiesen werden. Der Bezug von Verletztengeld genügt jedoch nicht, weil dieser grundsätzlich keine Meldung bei der Arbeitsvermittlung voraussetzt.

4. Das Kind war im Streitfall durch den erlittenen Unfall tatsächlich nicht gehindert, sich bei der Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender zu melden. Wie zu entscheiden wäre, wenn die Meldung tatsächlich unmöglich ist (Bettlägerigkeit? Koma?), blieb daher offen.

5. Da das Kind sich nach den bindenden Feststellungen des FG nicht bei der Agentur für Arbeit gemeldet hat, kam es nicht darauf an, ob die Agentur für Arbeit die Registrierung als arbeitsuchend verweigert hätte.

6. Nach Abschn. A 13 Abs. 3 Satz 1 der DA-KG (Stand: 2014) ist eine Berücksichtigung möglich, wenn das Kind wegen Erkrankung nicht bei einer Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet ist. Das half der Klägerin jedoch nicht, weil die DA-KG als norminterpretierende Verwaltungsanweisung die Gerichte nicht bindet.

7. Wer an dem Ergebnis zweifelt, weil er es für entschuldbar hält, dass sich ein arbeitsunfähiges und Verletztengeld beziehendes Kind nicht arbeitsuchend meldet, sollte bedenken, dass das Kindergeldrecht als "Massenrecht" in besonderem Maße auf Eindeutigkeit und Klarheit angewiesen ist.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 7.7.2016 – III R 19/15

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