Leitsatz

1. Ein Kind, das die Suche nach einem Ausbildungsplatz während der Mutterschutzfrist unterbricht, ist in diesem Zeitraum weiterhin zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn es die Bemühungen um einen Ausbildungsplatz nach dem Ende der Mutterschutzfrist nicht fortsetzt.

2. Ein Kind, das während der Elternzeit keinen Ausbildungsplatz sucht, kann – ebenso wie ein Kind, das seine Ausbildung wegen der Elternzeit unterbricht – nicht berücksichtigt werden.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Vater einer 1983 geborenen Tochter, die seit 2003 in einem eigenen Haushalt lebte und für die er aufgrund von Bescheiden aus dem Jahr 2004 Kindergeld bezog. Die Tochter war arbeitslos und bezog ALG II. Sie war auch als Bewerberin um eine berufliche Ausbildungsstelle gemeldet und hatte sich zudem selbst um einen Ausbildungsplatz bemüht. Am 11.6.2005 gebar sie eine Tochter. Seit dem 23.4.2005 – dem Tag des Beginns ihrer Mutterschutzfrist – war sie mit dem Vermerk "Mutterschutz/Elternzeit" nicht mehr als Bewerberin um einen Ausbildungsplatz registriert.

Die Familienkasse hob die Festsetzung des Kindergeldes für Mai 2005 bis Mai 2006 sowie von September 2007 bis März 2008 auf. Das FG Thüringen wies die Klage ab (Urteil vom 22.3.2011, 4 K 814/08, Haufe-Index 4052633).

 

Entscheidung

Die Revision war hinsichtlich der Monate Mai bis August 2005, in denen sich die Tochter in Mutterschutz befand, begründet; hinsichtlich der übrigen Zeiträume dagegen unbegründet.

 

Hinweis

1. Der BFH hat bereits entschieden, dass ein Kind während der Unterbrechung seiner Ausbildung aufgrund des Mutterschutzes (§ 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG) grundsätzlich weiter zu berücksichtigen ist (BFH, Urteile vom 15.7.2003, ­VII R 47/02, BStBl II 2003, 848; vom 24.9.2009, III R 79/06, BFH/NV 2010, 614).

2. Das Besprechungsurteil stellt die Unterbrechung der bisherigen Suche nach einem Ausbildungsplatz der mutterschutzbedingten Unterbrechung der Ausbildung gleich. Das ist nicht so selbstverständlich, wie es auf den ersten Blick scheinen mag:

Die Berücksichtigung eines Kindes wegen Ausbildungsplatzsuche setzt voraus, dass der Beginn der Ausbildung nicht an anderen Umständen als dem Mangel eines Ausbildungsplatzes scheitert, z.B. dem ausländerrechtlichen Status. Junge Mütter können aber eine angebotene Ausbildung antreten und – nach Ablauf der regelmäßig vierzehnwöchigen Mutterschutzfrist – auch durchführen.

Die Beschäftigungsverbote nach dem MuSchG hindern Frauen nicht aus rechtlichen Gründen an der Ausbildungsplatzsuche, diese ist aber in vielen Fällen praktisch unmöglich und regelmäßig auch nicht zumutbar (z.B. die Teilnahme an Auswahltests, Assessment-Centern, Betriebsbesichtigungen oder "Probearbeit"). Da das Kindergeldrecht als "Massenrecht" der Typisierung bedarf, ist es unerheblich, ob Bemühungen um einen Ausbildungsplatz im Einzelfall – z.B. bei ausschließlich schriftlichen Bewerbungsverfahren – auch während der Mutterschutzfrist möglich und zumutbar wären.

3. Der Berücksichtigung während der Mutterschutzfrist steht nicht entgegen, dass die Suche nach einem Ausbildungsplatz nach ihrem Ende nicht umgehend wieder aufgenommen wird, denn bereits der Beginn der Mutterschutzfrist hindert objektiv die Fortsetzung der Suche, während der Entschluss, die Bemühungen um einen Ausbildungsplatz zwecks Elternzeit zur Pflege des Kindes nicht fortzusetzen, erst nach deren Ende wirksam wird.

4. Eine anschließende weitere Unterbrechung der Suche nach einem Ausbildungsplatz während der Elternzeit lässt die Berücksichtigung als Kind ebenso wie eine Unterbrechung der Ausbildung wegen Elternzeit entfallen, da diese auf dem eigenen freien Entschluss des Kindes beruht.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 13.6.2013 – III R 58/12

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