Leitsatz

Der Inlandswohnsitz der Kinder besteht bei mehrjährigem Schulbesuch in Tunesien nur fort, wenn das Kind entweder seinen Lebensmittelpunkt weiterhin im Inland hat, oder ohne einheitlichen Lebensmittelpunkt nunmehr zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse (zwei Wohnsitze) hat, von denen sich einer im Inland befindet.

 

Sachverhalt

Die Familienkasse (FK) forderte unter Berücksichtigung des Anspruchs auf Kindergeld nach dem deutsch-tunesischen Abkommen über soziale Sicherheit das überzahlte Kindergeld für die zwei Kinder des Antragstellers (AS) zurück, da sowohl die Kindsmutter als auch die Kinder ihren Lebensmittelpunkt und damit ihren Wohnsitz seither in Tunesien, also außerhalb der EU hätten. Kurzzeitige Aufenthalte in Deutschland führten wegen des reinen Besuchscharakters nicht zur Beibehaltung des Wohnsitzes. Der AS beantragt die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Rückforderungsbescheids, da sich die Kinder nur notgedrungen aufgrund ihres Schulbesuchs während der Schulzeit in Tunesien aufgehalten hätten. Der Wohnsitz der Kinder sei nach wie vor der Wohnsitz in Deutschland, wo sich die Kinder während der schulfreien Zeit zusammen mit ihrer Mutter aufgehalten hätten.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des FG ist der AdV-Antrag begründet. Die Frage, ob ein Kind seinen inländischen Wohnsitz beibehält, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. So sind neben der voraussichtlichen Dauer der auswärtigen Unterbringung am Ausbildungsort auf der einen Seite und in der elterlichen Wohnung auf der anderen Seite, der Zweck des Auslandsaufenthalts, die Häufigkeit und die Dauer der Aufenthalte im Inland sowie die persönlichen Beziehungen des Kindes am Wohnort des Kindes im Inland und am Ausbildungsort anderseits ausschlaggebend. Die objektiven Wohnverhältnisse im Inland müssen so geartet sein, dass sie die Möglichkeit eines längeren Wohnens des Kindes in der Wohnung der Eltern bieten, und die Anwesenheit des Kindes in der elterlichen Wohnung darf nicht nur Besuchscharakter haben. Die räumliche Trennung während des Schulbesuchs der Kinder in Tunesien bedingt für sich allein noch keine Auflösung der familiären Wohn- und Lebensgemeinschaft im Inland.

 

Hinweis

Wenn auch die erstmalige Klärung der Frage der Beibehaltung des Wohnsitzes der Kinder im Inland dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt, so lässt der im AdV Verfahren ergangene Beschluss erkennen, dass bei dem von dem AS geschilderten Sachverhalt diesem das beantragte Kindergeld zusteht.

 

Link zur Entscheidung

FG München, Beschluss vom 19.09.2012, 5 V 2410/12

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