Leitsatz

Die Übergangszeit gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG beginnt mit Abschluss des unmittelbar vorangegangenen Ausbildungsabschnittes oder Dienstes, auch wenn das Kind zu diesem Zeitpunkt das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist Mutter eines im Juli 1991 geborenen Sohnes, für den sie Kindergeld bezog. Von Oktober 2008 bis April 2009 wurde der Sohn zum Gärtner ausgebildet. Unmittelbar danach meldete er sich bei der Bundeswehr und bat um zeitnahe Musterung. Nachdem er zunächst als nicht wehrdienstfähig gemustert wurde, erhob er Widerspruch und wurde im Juli 2009, dem Monat der Vollendung seines 18. Lebensjahrs, zum 1.10.2009 zum Grundwehrdienst und einem anschließenden freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst von 14 Monaten einberufen.

Die Familienkasse lehnte die Festsetzung von Kindergeld für August und September 2009 ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7.5.2013, 8 K 8130/12, Haufe-Index 6446375 entschied, in den Viermonatszeitraum gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG seien auch Zeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahres einzurechnen, sodass dieser Zeitraum im Streitfall abgelaufen gewesen sei. Der Sohn habe auch nicht ernsthaft nach einem Ausbildungsplatz gesucht.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Auffassung des FG und wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Kinder werden bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs ohne Weiteres berücksichtigt, danach nur unter bestimmten Voraussetzungen wie Arbeitsuche, Ausbildung oder behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt. Hier ging es um die Berücksichtigung während einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen zwei Aus­bildungsabschnitten, einem Ausbildungsabschnitt und dem gesetzlichen Wehr- oder Zivildienst, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit oder einem Freiwilligendienst. Wird die viermonatige Übergangszeit überschritten, kommt eine Begünstigung auch nicht für die ersten vier Monate in Betracht.

2. Die Übergangszeit beginnt mit Abschluss des unmittelbar vorangegangenen Ausbildungsabschnittes oder Dienstes, auch wenn das Kind zu diesem Zeitpunkt noch keine 18 Jahre alt ist. Dafür spricht der Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, dem keine Beschränkung auf Übergangszeiten nach Vollendung des 18. Lebensjahres zu entnehmen ist.

3. Diese Auslegung entspricht auch dem Gesetzeszweck, denn die Übergangzeit (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG) stellt gegenüber der Ausbildungsplatzsuche (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG) eine vereinfachende Auffangvorschrift dar. Bei einer Übergangszeit von nicht mehr als vier Monaten geht der Gesetzgeber typisierend davon aus, dass ein Kind gehindert ist, seine Ausbildung zu einem früheren Zeitpunkt fortzusetzen. Für die Neuorientierung oder Fortsetzung der Ausbildung ist es aber regelmäßig unerheblich, ob das Kind bei Abschluss des der Übergangszeit vorausgehenden Ausbildungsabschnittes oder Dienstes bereits das 18. Lebensjahr vollendet hat. Die Beschränkung der Übergangszeit rechtfertigt sich durch die typisierende Annahme, dass volljährige gesunde Kinder, die längere Übergangszeiten zu überbrücken haben, während dieser Zeit eine Erwerbstätigkeit (ggf. Aushilfstätigkeit) aufnehmen und nicht auf Unterhalt ihrer Eltern angewiesen sind. Von Kindern, die während der Übergangszeit das 18. Lebensjahr vollenden, kann danach die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in gleicher Weise erwartet werden, wie von einem von Anfang an volljährigen Kind.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.4.2015 – III R 54/13

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