Leitsatz

1. Ein Kind, das innerhalb eines bestehenden Arbeits- oder Dienstverhältnisses an von seinem Arbeitgeber oder Dienstherrn angebotenen, verwendungsbezogenen Lehrgängen teilnimmt, wird nur dann i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen Beruf ausgebildet, wenn die Erlangung beruflicher Qualifikationen, d.h. der Ausbildungscharakter, und nicht die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen, d.h. der Erwerbscharakter, im Vordergrund des Arbeits- oder Dienstverhältnisses steht.

2. Dabei sind sowohl die durchgeführten Lehrgänge als auch die übrigen Teile des Arbeits- oder Dienstverhältnisses auf ihren Ausbildungscharakter hin zu würdigen. Ergibt die Gesamtwürdigung, dass der Erwerbscharakter des Arbeits- oder Dienstverhältnisses überwiegt, können die einzelnen Lehrgänge auch unter Berücksichtigung des Monatsprinzips des § 66 Abs. 2 EStG nicht isoliert betrachtet als Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG qualifiziert werden.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, ­Sätze 2 und 3, § 62, § 63, § 66 Abs. 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Vater der 1990 geborenen T, die sich ab April 2010 als Soldatin auf Zeit für neun Jahre bei der Bundeswehr verpflichtete. Nach ihrer Grundausbildung absolvierte sie dort von Oktober 2010 bis Juli 2012 eine Ausbildung zur Bürokauffrau und wurde im Mai 2011 zum Stabsunteroffizier befördert. Bis einschließlich Juli 2012 gewährte die Familienkasse Kindergeld.

Danach wurde T in einem Nachschubbataillon mit Logistikaufgaben betraut. Währenddessen nahm sie an vier insgesamt etwa dreieinhalb Monate dauernden Fachlehrgängen zur Vorbereitung auf die Tätigkeit als Nachschubunteroffizierin teil, für die sie jeweils an eine Ausbildungseinrichtung der Bundeswehr abgeordnet wurde. Die Tätigkeit als Nachschubunteroffizierin setzt eine abgeschlossene Berufsausbildung sowie den erfolgreichen Abschluss des Fachmoduls Nachschubunteroffizier voraus, das mit einer Abschlussprüfung endet. Ab dem 1.4.2014 wurde T als Nachschubunteroffizierin eingesetzt.

Die Familienkasse lehnte den Antrag des Klägers auf Kindergeld ab August 2012 ab. Das FG (FG Münster, Urteil vom 24.7.2015, 4 K 3069/14 Kg, Haufe-Index 8633270, EFG 2015, 1722) wies die auf das beantragte Kindergeld für August 2012 bis März 2014 beschränkte Klage ab.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Zwar ist das FG zu Unrecht davon ausgegangen, dass die von T ausgeübte Tätigkeit eine Ausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG darstellt. Es hat aber sodann eine schädliche Erwerbstätigkeit der T angenommen, die kein Ausbildungsdienstverhältnis i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG darstelle und die Klage auf Kindergeld für den Zeitraum von August 2012 bis März 2014 daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

 

Hinweis

1. Anspruch auf Kindergeld besteht u.a. für Kinder, die das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden, d.h. sich ernsthaft und nachhaltig auf ihr Berufsziel vorbereiten.

2. Eine Ausbildung innerhalb eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses liegt nur dann vor, wenn die Erlangung beruflicher Qualifikationen im Vordergrund steht, d.h. die Ausbildung die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen überwiegt.

Dabei sind Arbeits- oder Dienstverhältnisse, die Ausbildungsmaßnahmen beinhalten, als Einheit zu würdigen. Für einen Ausbildungscharakter sprechen z.B.

  • ein Ausbildungsplan,
  • die Unterweisung in Tätigkeiten, die qualifizierte Kenntnisse oder Fertigkeiten erfordern,
  • die Erlangung eines die angestrebte Berufstätigkeit ermöglichenden Abschlusses und
  • ein gegenüber einem normalen Arbeitsverhältnis geringeres Entgelt.

Der Ausbildungscharakter steht auch stets dann im Vordergrund, wenn ein Ausbildungsdienstverhältnis vorliegt (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).

3. Das das Kindergeldrecht beherrschende Monatsprinzip ist ohne Bedeutung für die Frage, ob eine Ausbildung stattfindet. Es ermöglicht zwar eine Berücksichtigung des Kindes, wenn der anspruchsauslösende Tatbestand (z.B. eine Ausbildung) etwa nur am ersten oder am letzten Tag des Monats erfüllt ist, erlaubt aber keine isolierende Betrachtung dahin, dass innerhalb eines durch Erwerbstätigkeit geprägten Verhältnisses einzelne Monate als Ausbildung qualifiziert werden. Wegen der erforderlichen Gesamtwürdigung eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses kann daher kein Kindergeld für einzelne Lehrgangsmonate innerhalb eines nicht insgesamt durch Ausbildung geprägten Arbeits- oder Dienstverhältnisses gewährt werden. Das hindert jedoch nicht, ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (z.B. Bestehen einer Laufbahnprüfung, eines Examens oder eines Berufsabschlusses) trotz z.B. gleichbleibender Entlohnung als Ausbildung und danach als Erwerbsverhältnis zu beurteilen.

4. Revisionskläger übersehen immer wieder, dass der BFH an die Tatsachenfeststellungen und -würdigungen des FG gebunden ist, sofern dagegen keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorge­bracht werden (§ ...

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