Der Kinderfreibetrag/Bedarfsfreibetrag für ein Kind des Steuerpflichtigen ist nur abzuziehen bei Personen, die

  • der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG (Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Inland) oder
  • der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 EStG (Mitglieder des diplomatischen oder konsularischen Dienstes, Auslandsbeamte) unterliegen oder die
  • nach § 1 Abs. 3 EStG auf Antrag als unbeschränkt Steuerpflichtige behandelt werden, weil sie ihre weitaus überwiegenden Einkünfte (mindestens 90 %) im Inland erzielen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a EStG (VZ 2023: 10.908 EUR) nicht übersteigen (fiktive unbeschränkte Steuerpflicht).

Bei Personen, die mit ihren inländischen Einkünften nur der beschränkten Steuerpflicht[1] unterliegen, ist der Abzug des Kinderfreibetrags/Bedarfsfreibetrags ausgeschlossen.[2]

Bei einem Wechsel von der beschränkten zur unbeschränkten Steuerpflicht oder umgekehrt im Laufe des Kalenderjahres findet entsprechend § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG für das gesamte Kalenderjahr nur eine Veranlagung statt, und zwar nach den Regelungen der unbeschränkten Steuerpflicht.[3]

Gleichwohl ist für die vollen Kalendermonate, in denen ausschließlich beschränkte Steuerpflicht bestand, also weder inländischer Wohnsitz noch inländischer gewöhnlicher Aufenthalt gegeben war, aber inländische Einkünfte erzielt wurden, kein Kinderfreibetrag/Bedarfsfreibetrag[4] abziehbar.[5]

Ein Kinderfreibetrag/Bedarfsfreibetrag ist ab dem Kalendermonat abziehbar, in dem an mindestens 1 Tag sowohl

  • die unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1, 2 oder 3 EStG bestand als auch
  • die Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Kindes (Kindschaftsverhältnis, bei Kindern über 18 Jahre besondere Voraussetzungen wie Arbeitsuche, Berufsausbildung usw.) erfüllt waren.

Bestand in einem Teil des Jahres auch keine beschränkte Steuerpflicht, so ist ebenfalls für alle Kalendermonate, in denen die unbeschränkte Steuerpflicht nicht mindestens einen Tag gegeben war, kein Kinderfreibetrag/Bedarfsfreibetrag abzuziehen. Ist bereits für Monate, in denen eine nur beschränkte Steuerpflicht bestanden hat, kein Kinderfreibetrag zu berücksichtigen, gilt dies erst recht für Monate, in denen überhaupt keine inländische Steuerpflicht vorlag.[6]

 
Praxis-Beispiel

Unbeschränkte Steuerpflicht nur für einen Teil des Kalenderjahres

Brian S. ist britischer Staatsbürger. Er hält sich ab Anfang Mai 2023 erstmals (kein Bestandsschutz[7]) mit Aufenthaltserlaubnis, die zur Erwerbstätigkeit berechtigt, im Inland auf und mietet ab 15.5.2023 in Wolfsburg eine Wohnung. Er begründet ab diesem Zeitpunkt einen inländischen Wohnsitz. Die nicht dauernd getrennt lebende Ehefrau Julia und die beiden Kinder Rosie (15 Jahre) und Henry (13 Jahre) bleiben in Großbritannien.

In der Zeit vom 1.1. bis 30.4.2023 erzielte Brian Einkünfte in Großbritannien i. H. v. umgerechnet 10.400 EUR. Inländische Einkünfte hatte er in dieser Zeit nicht. Die inländischen Einkünfte von Mai bis Dezember betragen 29.700 EUR.

In welchem Umfang sind jeweils Kinderfreibetrag und Bedarfsfreibetrag für die beiden Kinder zu berücksichtigen?

Lösung:

Brian S. ist ab Mitte Mai 2023 unbeschränkt steuerpflichtig, da er im Inland einen Wohnsitz begründete. Vor Mai 2023 war er weder unbeschränkt noch beschränkt steuerpflichtig in Deutschland.

Ein Kinderfreibetrag/Bedarfsfreibetrag kann nur für diejenigen Kalendermonate abgezogen werden, in denen die unbeschränkte Steuerpflicht an mindestens einem Tag bestand.

Kindergeld scheidet aus, da die Kinder ihren Wohnsitz weder in einem anderen EU-/EWR-Staat noch in einem Abkommensstaat haben.

Brian S. erhält danach nur für die Monate Mai bis Dezember, in denen er unbeschränkt steuerpflichtig war, einen Kinderfreibetrag und Bedarfsfreibetrag. Er erhält die vollen Freibeträge, da seine Ehefrau, der andere Elternteil, im Inland nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist.[8] Die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG ermäßigen sich vorliegend nicht nach den Grundsätzen der Ländergruppeneinteilung, da das Vereinigte Königreich zur Gruppe 1 gehört. Die Freibeträge werden daher in voller Höhe (4/4) angesetzt.[9]

Berechnung:

Kinderfreibetrag:

6.024 EUR [(3.012 EUR + 3.012 EUR) × 4/4 = 6.024 EUR], für 8 Monate = 4.016 EUR pro Kind.

Bedarfsfreibetrag:

2.928 EUR [(1.464 EUR + 1.464 EUR) × 4/4 = 2.928 EUR], für 8 Monate = 1.952 EUR pro Kind.

Wenn für die Zeit von Mai bis Dezember 2023 Anspruch auf britische Familienleistung ("Child Benefit", "Child Tax Credit")[10] für jedes Kind bestand, ist dieser Anspruch als andere Leistung i. S. d. § 65 EStG bei der Vergleichsrechnung der ESt-Entlastung gegenüberzustellen.

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