Im System des Familienleistungsausgleichs besteht eine unmittelbare Verzahnung zwischen dem Kinderfreibetrag und dem Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (= Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG) einerseits und andererseits dem Anspruch auf Kindergeld.

Die zentrale Vorschrift hierzu ist § 31 EStG. Danach erfolgt die steuerliche Freistellung des Einkommens der Eltern bzw. eines Elternteils i. H. d. Kinderexistenzminimums durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG (= Kinderfreibetrag und Bedarfsfreibetrag) oder durch das Kindergeld nach dem EStG.

Nach § 31 Satz 3 EStG wird im laufenden Kalenderjahr grundsätzlich monatlich Kindergeld gezahlt.[1] Der Anspruch auf ausländische Leistungen (= vergleichbare andere Leistung nach § 65 EStG) schließt die Zahlung von inländischem Kindergeld aus.

Bei der ESt-Veranlagung prüft das Finanzamt von Amts wegen, ob der Abzug des Kinderfreibetrags und des Bedarfsfreibetrags zu einer höheren steuerlichen Entlastung führt als der Anspruch auf Kindergeld bzw. der Anspruch auf vergleichbare andere Leistungen nach § 65 EStG ausmacht.

Bei der Vergleichsrechnung (Günstigerprüfung) ist stets der Anspruch auf Kindergeld bzw. auf vergleichbare andere Leistungen für den gesamten Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen.[2] Damit kommt es grundsätzlich nicht auf die Höhe des tatsächlich gezahlten Kindergeldes bzw. der tatsächlich gezahlten vergleichbaren Leistung an.

Ausnahme: Nichtauszahlung des Kindergeldes wegen der 6-Monatsfrist

Für Kindergeld-Anträge ab 2018 gilt die Regelung, dass rückwirkend nur für die letzten 6 Monate Kindergeld ausgezahlt wird.[3] Für Anträge nach dem 18.7.2019 bzw. neue Anträge[4] gilt dies aufgrund der 6-Monatsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG.[5] Die Auszahlungsbeschränkung ist verfassungsgemäß.[6] Soweit das Kindergeld wegen der 6-Monatsfrist, d. h. unter Hinweis auf § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG[7], nicht ausgezahlt wird, wird der Anspruch auf Kindergeld für diese Kalendermonate nicht bei der Vergleichsrechnung berücksichtigt und auch nicht der tariflichen Einkommensteuer hinzugerechnet.[8] In diesen Fällen wird nur das tatsächlich ausgezahlte Kindergeld bei der Vergleichsrechnung angesetzt. Ist nach dem Ergebnis der Vergleichsrechnung der Abzug der Freibeträge für Kinder günstiger als das Kindergeld, wird auch nur das tatsächlich gezahlte Kindergeld der tariflichen Einkommensteuer hinzugerechnet.

In Altfällen, in denen ein Kindergeldanspruch noch aufgrund der Anwendung der Frist des § 66 Abs. 3 EStG a. F. ausgeschlossen wurde, ist der Anspruch in verfassungskonformer Auslegung des § 31 S. 4 EStG bei der Günstigerprüfung und Hinzurechnung i. H. v. 0 EUR zu berücksichtigen.[9]

Bei nicht zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Eltern wird stets der Kindergeldanspruch im Umfang des jeweils berücksichtigten Kinderfreibetrags angesetzt, und zwar unabhängig davon, ob und an wen Kindergeld ausgezahlt wird.[10]

Diese Prüfung ("Günstigerprüfung") wird mittels der Vergleichsrechnung vorgenommen.[11]

Die o. g. Bestimmung hat Auswirkung in den Fällen, in denen trotz Anspruchs kein Antrag auf Kindergeld bzw. auf vergleichbare andere Leistungen gestellt wird. Unabhängig von der Höhe des tatsächlich gezahlten Kindergeldes usw. wird nämlich bei der Vergleichsrechnung der Anspruch zugrunde gelegt. § 31 Satz 5 EStG findet keine Anwendung, da die Auszahlung des Kindergelds nicht unter Hinweis auf § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG von der Familienkasse abgelehnt wurde.

Ist nach dem Ergebnis der Vergleichsrechnung der Anspruch auf Kindergeld usw. für den gesamten Veranlagungszeitraum höher als die ESt-Entlastung aus dem Abzug der Freibeträge für Kinder, verbleibt es beim Anspruch auf Kindergeld.[12]

Führt hingegen der Abzug der Freibeträge für Kinder zu einer höheren ESt-Entlastung als der Anspruch auf ­Kindergeld, werden die Freibeträge für Kinder vom Einkommen abgezogen und der Betrag i. H. d. Kindergeldanspruchs der tariflichen Einkommensteuer hinzugerechnet.

Wird das sog. Wechselmodell praktiziert, also ist ein Kind getrennt lebender Eltern in annähernd gleichem zeitlichen Umfang in den Haushalt beider Elternteile aufgenommen, erhält jeder Elternteil einen (einfachen) Kinderfreibetrag, wenn keine Zusammenveranlagung erfolgt. Eine Aufteilung des Kindergeldanspruchs ist dennoch nicht zulässig. Das Kindergeld ist in analoger Anwendung des § 64 Abs. 2 Satz 2 bis 4 EStG demjenigen Elternteil zu zahlen, den die Eltern bestimmen.[13] Im Rahmen der Günstigerprüfung gilt aber auch beim paritätischen Wechselmodell § 31 Satz 4 2. Halbsatz EStG, wonach bei nicht zusammenveranlagten Eltern der Kindergeldanspruch stets im Umfang des Kinderfreibetrags angesetzt wird.[14] Der BFH wird nun klären, ob die Regelung des § 31 Satz 4 2. Halbsatz EStG durch die Anerkennung dieses Modells überholt ist.

Die Regelung, dass bei der Vergleichsrechnung zwischen dem Anspruch auf Kindergeld und der ESt-Minderung bei der Berechnung dieser Minderung sowohl der Kinderfreibetrag als auch der Bedarfsfreibetrag...

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