Leitsatz

Kindergeldnachzahlungen sind nicht zu verzinsen.

 

Normenkette

§ 233a AO

 

Sachverhalt

Die Tochter der Klägerin war ab Mitte Juni 1996 für ein Jahr als Au-pair-Mädchen in den USA. Darauf hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab Juli 1996 auf und gewährte erst nach Rückkehr der Tochter ab Juli 1997 wieder Kindergeld. Die Klägerin legte Einspruch ein und stimmte dem Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf Parallelverfahren zu der damals streitigen Frage, ob ein Au-pair-Aufenthalt als Ausbildung anzusehen ist, zu (z.B. BFH, Urteil vom 19.2.2002, VIII R 83/00, BFH-PR 2002, 288).

Im Oktober 2001 erging sodann die Einspruchsentscheidung, mit der die Familienkasse dem Einspruch stattgab. Das Kindergeld für Juni 1996 bis Juli 1997 wurde deshalb erst im November 2001 nachgezahlt. Die Klägerin machte vergeblich Zinsen für den Nachzahlungsbetrag geltend.

 

Entscheidung

Der BFH teilt die Auffassung der Familienkasse, dass sich ein Zinsanspruch weder auf eine Analogie zu § 233a AO noch auf Gleichheitsgesichtspunkte stützen lässt.

Ergänzend weist der BFH noch darauf hin, dass sich eine Verzinsung nicht nur beim sozialrechtlichen Kindergeld nach dem BKKG ergibt, z.B. wenn die Eltern nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind, sondern auch bei einem Streit über den Kinderfreibetrag, wenn der Einkommensteuerbescheid durch Gewährung des Freibetrags geändert wird. Eltern, bei denen die Steuerentlastung durch die Freibeträge höher ist als das Kindergeld, können daher – anders als Eltern, für die das Kindergeld günstiger ist – in den Genuss einer Verzinsung kommen. Derartige im System bedingte Ungleichheiten, die sich regelmäßig nur in geringer Höhe auswirken, sind jedoch hinzunehmen.

 

Hinweis

Die 1989 eingeführte sog. Vollverzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gilt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 233a AO nur für die Unterschiedsbeträge, die sich bei der Festsetzung der ESt, KSt, VSt, USt und GewSt ergeben. Diese Aufzählung ist abschließend. Deshalb werden z.B. der SolZ, Zölle, Verbrauchsteuern und Abzugsteuern (z.B. LSt und KapSt) nicht nach § 233a AO verzinst.

Steuervergütungen fallen ebenfalls nicht unter § 233a AO. Das Kindergeld i.S.v. §§ 62 ff. EStG gehört zwar seit er Umstellung des Familienlastenausgleichs zum Familienleistungsausgleich ab 1996 materiell zur ESt. Es wird jedoch nach § 31 EStG als Steuervergütung gezahlt und beruht daher nicht auf einer Steuerfestsetzung, wie dies § 233a AO voraussetzt.

§ 233a AO kann auch nicht entsprechend auf Kindergeldzahlungen angewandt werden. Die Regelung enthält keinen allgemeinen Rechtsgedanken, dass Ansprüche aus dem Abgabenverhältnis zwischen Bürger und Verwaltung stets zu verzinsen sind, um mögliche Zinsvorteile oder Nachteile auszugleichen. Das BVerfG hat in dem Beschluss von 19.9.1997, 1 BvR 571/76 (StRK, InvZulG 1969, § 1 R 10) im Zusammenhang mit der Investitionszulage deutlich darauf hingewiesen, dass kein allgemeiner Rechtsgrundsatz auf Verzinsung rückständiger Leistungen des Staats besteht.

Deshalb sind auch die Verzugsvorschriften des BGB, da sie nur für zivilrechtliche Ansprüche gelten, nicht entsprechend anwendbar. Ebenso greifen die Regelungen über Prozesszinsen nicht ein, da Prozesszinsen nur entstehen, wenn ein Anspruch als solcher rechtshängig gewesen ist, nicht jedoch im Fall verspäteter Zahlung etwa im Hinblick auf ein gleichgelagertes Parallelverfahren oder einen Musterprozess.

Zwar sind Erstattungen oder Nachzahlungen des sozialrechtlichen Kindergelds nach dem BKKG i.V.m. § 44 SGB mit 4 % zu verzinsen. Diese Zinsregelung beschränkt sich jedoch auf sozialrechtliche Ansprüche. Sie ist auf das einkommensteuerrechtliche Kindergeld nach §§ 62 ff. EStG nicht anwendbar.

In dieser unterschiedlichen Behandlung kann kein Gleichheitsverstoß gesehen werden. Denn dem Gesetzgeber steht, da es sich nicht um einen grundrechtlich sensiblen Bereich handelt, zur Vereinfachung des Verfahrens und Typisierung der Abläufe ein entsprechend weiter Gestaltungsspielraum zu, der generalisierende und pauschalierende Regelungen erlaubt.

Im Übrigen würde sich eine Vollverzinsung für die Kindergeldberechtigten insgesamt nachteilig auswirken. Da das Kindergeld monatlich ausgezahlt wird, sind hohe Nachzahlungen eher selten, dafür hohe Rückforderungen, weil die Voraussetzungen weggefallen sind, umso häufiger; z.B. wegen Beendigung der Ausbildung oder Überschreitung der Einkunftsgrenze.

Demjenigen, der Wert auf eine Verzinsung legt, kann daher allenfalls geraten werden, auf eine rasche Einspruchsentscheidung – notfalls mit der Untätigkeitsklage – zu drängen und alsbald Klage zu erheben, um in den Genuss von Prozesszinsen zu kommen. Wegen der geringen Beträge, des Prozessrisikos und des mit einer Klage verbundenen Aufwands dürfte sich dieser Weg jedoch nur in Ausnahmefällen lohnen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 20.4.2006, III R 64/04

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