Sachverhalt

Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des BFH war streitig, ob es möglich ist, dass die im Umsatzsteuerrecht für die kurzfristige Vermietung von Campingflächen geltende Steuersatzermäßigung aufgrund des Neutralitätsgrundsatzes auch auf die Überlassung von Bootsliegeplätzen (als sog. "Wohnmobilhäfen") anzuwenden ist, soweit diese gleichartige Umsätze ausführen.

Der Kläger, ein eingetragener Verein, dessen Zweck die Förderung des Segel- und Motorwassersports ist, überließ Bootsliegeplätze in seinem Hafen gegen ein sog. Hafengeld Wassersportlern, die dort mit ihrem Boot ankern und übernachten konnten. Das Hafengeld umfasste auch die Nutzung ähnlicher (Sanitär-) Einrichtungen wie auf Campingplätzen und in sog. Wohnmobilhäfen. Das Niedersächsische FG (Urteil v. 15.6.2017, 5 K 210/15) hatte entschieden, dass die kurzfristige Überlassung von Bootsliegeplätzen nicht unter die Formulierung "kurzfristige Vermietung von Campingflächen" nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG subsumiert werden kann und die Umsätze aus der Vereinnahmung von Hafengeldern mithin dem Regelsteuersatz unterliegen. Das FG begründete seine Auffassung damit, dass ein Boot in erster Linie ein Beförderungsmittel sei und daher nicht unter die Formulierung "kurzfristige Vermietung von Campingflächen" nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG fallen könne. Dem stehe nicht entgegen, dass viele Boote auch Einrichtungen zum Übernachten (Kajüten) hätten und diese auf den Gastliegeplätzen entsprechend genutzt werden könnten.

Der BFH sah es als möglich an, dass die im Umsatzsteuerrecht geltende Steuersatzermäßigung für die kurzfristige Vermietung von Campingflächen auch auf die Vermietung von Bootsliegeplätzen anzuwenden ist. Er hatte den EuGH um Klärung gebeten, ob ein Hafen bei gleicher Funktion wie ein Campingplatz zu behandeln ist. Er fragte den EuGH, ob die Steuersatzermäßigung für die Vermietung von Campingplätzen und Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen nach Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL i. V. m. Anhang III Nr. 12 MwStSystRL auch die Vermietung von Bootsliegeplätzen umfasst.

Anhang III Nr. 12 MwStSystRL erfasst dem Wortlaut nach lediglich die Vermietung von "Campingplätzen" und "Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen". Allerdings könne (so der BFH) die Norm aufgrund des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 20 EUGrdRCh) auch auf Bootsliegeplatzvermietungen anzuwenden sein. Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz dürften vergleichbare Sachverhalte grundsätzlich nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden. Außerdem sei der Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu berücksichtigen, wonach Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze ausführen, bei der Erhebung der USt nicht unterschiedlich behandelt werden dürften. Der BFH hielt aufgrund der funktionalen und wirtschaftlichen Identität, die eine Campingplatzvermietung und eine Bootsliegeplatzvermietung aufweisen, im Ausgangsfall eine Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes nach Unionsrecht für denkbar. Denn einem reinen Freizeithafen könne im Gegensatz zu einem Industriehafen dieselbe Funktion zukommen wie einem Campingplatz. Diese funktionale und wirtschaftliche Identität komme zum Ausdruck, wenn man auch bei Flächen für Wohnmobile von "Wohnmobilhäfen" spricht. Sowohl der Wohnmobilist als auch der Bootsführer nutzten mit ihren auch zur Übernachtung ausgelegten Fahrzeugen einen "Wohnmobilhafen" oder einen (Boots-)Hafen, der zur Versorgung der Passagiere und Fahrzeuge Strom, Wasser, Entsorgungseinrichtungen und Sanitäranlagen zur Verfügung stellt. Nicht der Untergrund, auf dem das Fahrzeug steht oder schwimmt, kennzeichne die ausgeführte Leistung, sondern die Infrastruktur. Im Kern gewähre der Kläger ebenso wie der Betreiber eines Wohnmobilhafens seinen Kunden eine Beherbergung mit Übernachtungsmöglichkeit im eigenen Fahrzeug. Dass der Wohnmobilist sein Ziel über das öffentliche Straßennetz erreicht, der Bootsführer demgegenüber hierzu Wasserstraßen nutzt, sei für die Qualifizierung der Leistung ohne Bedeutung. Das erschließt sich schon daraus, dass Camping nicht durch die Form der Anreise, sondern durch das Verhalten am Zielort gekennzeichnet ist. Ein Unterschied zwischen beiden Leistungen bestehe allerdings darin, dass sich das Fahrzeug in einem Fall auf einer Wasserfläche befindet und im anderen Fall auf einem wie auch immer gearteten festen Untergrund.

 

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass der Beherbergungsbegriff des Anhangs III Nr. 12 MwStSystRLeng auszulegen ist. Der Anwendungsbereich dieser Steuerermäßigung darf nicht auf Leistungen ausgedehnt werden, die sich weder im Wortlaut der Bestimmung wiederfinden noch begriffsimmanent sind. Die Vermietung von Bootsliegeplätzen ist nach dem Urteil zum einen nicht im Wortlaut von Anhang III Nr. 12 MwStSystRL enthalten und zum anderen nicht dem Begriff der Beherbergung immanent, sondern soll in erster Linie das sichere Festmachen der Boote am Liegeplatz ermöglichen. Somit ist auf die Vermietung von Bootsliegeplätzen der ...

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