Leitsatz

1. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG ist in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht auch ohne Berücksichtigung einer Geringfügigkeitsgrenze, bis zu ­deren Erreichen die gewerblichen Beteiligungseinkünfte nicht auf die übrigen Einkünfte abfärben, verfassungsgemäß.

2. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG nicht als nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gilt.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 und 2 EStG, § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GewStG, Art. 3 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Eine nicht gewerblich geprägte KG hatte ursprünglich Immobilien und Kapitalvermögen verwaltet, bevor ein Gesellschafter im Jahr 2008 Anteile an zwei GmbH & Co. KG, die jeweils ein Flugzeug verleasten und für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt wurden, eingebracht hatte. Im Jahr 2008 bzw. 2010 veräußerten die Fonds jeweils ihr Flugzeug.

Für die KG wurden seit 2008 wegen der Abfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG gewerbliche Einkünfte gesondert und einheitlich festgestellt. Das geschah auch für das Streitjahr 2011, obwohl für beide Fonds jeweils nur noch gewerbliche Verluste von ca. 1.800 EUR und 500 EUR festgestellt worden waren.

Die KG machte nach erfolglosem Einspruch mit der Klage geltend, es könne deshalb nicht zur Abfärbung kommen, weil die Fonds ihre gewerbliche Tätigkeit vor 2011 eingestellt hätten und lediglich noch abgewickelt worden seien. Außerdem sei eine Abfärbung wegen Geringfügigkeit der Beteiligungseinkünfte unverhältnismäßig. Das FG folgte dieser Auffassung nicht und wies die Klage ab (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.4.2016, 13 K 3651/13, Haufe-Index 9497080, EFG 2016, 1246).

 

Entscheidung

Auch die Revision hatte keinen Erfolg. Der BFH entschied, aufgrund der bestandskräftigen Feststellungen für die Fonds stehe der Bezug gewerblicher Einkünfte aus den Beteiligungen fest. Diese führten auch zur Abfärbung auf die vermögensverwaltenden Einkünfte, weil eine Bagatellgrenze nicht zu beachten sei. Die Abfärbung sei aber nur dann verfassungsgemäß, wenn sie keine Auswirkungen auf die GewSt habe. Dies könne durch Auslegung des § 2 Abs. 1 GewStG erreicht werden, indem der Betrieb der infolge gewerblicher Beteiligungseinkünfte abgefärbten Gesellschaft nicht als ein solcher i.S.d. GewStG gelte.

 

Hinweis

1. Abweichend von der Rechtsprechung zur Abfärbung eigener gewerblicher Einkünfte nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG (BFH, Urteil vom 27.8.2014, VIII R 6/12, BFH/NV 2015, 597, BFH/PR 2015, 149, BStBl II 2015, 1002 und BFH vom 27.8.2014, VIII R 41/11, BFH/NV 2015, 595, BFH/PR 2015, 152, BStBl II 2015, 999) fordert der BFH mit dem hiesigen Urteil für die Abfärbung gewerblicher Beteiligungseinkünfte nach Alternative 2 der Vorschrift keine Bagatellgrenze. Alle Beteiligungseinkünfte färben danach ab, selbst wenn sie – wie im Urteilsfall – negativ sind.

2. Die Abfärbung von Beteiligungseinkünften hat aber nur Bedeutung für die ESt, also insbesondere für die Verstrickung des verwalteten Immobilienvermögens und für das Herausfallen aus der Abgeltungsteuer in Bezug auf Kapitalerträge. Keine Geltung hat die Abfärbung für die GewSt. Obwohl die Ober-(Gesellschaft) gewerbliche Einkünfte bezieht, hat sie keinen Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 Abs. 1 GewStG. Grund dafür ist, dass die gewerblichen Beteiligungseinkünfte bei der Obergesellschaft ohnehin nicht der GewSt unterliegen würden, weil sie dort aus dem Gewerbeertrag nach § 9 Nr. 2 GewStG zu kürzen wären.

Gesetzesänderung zur Korrektur der Rechtsprechung geplant

§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG soll nach dem soeben beschlossenen Regierungsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften geändert werden und einen zweiten Satz erhalten. Danach soll es für die Abfärbung ohne Bedeutung sein, ob die originär gewerblichen Einkünfte bzw. die gewerblichen Beteiligungseinkünfte positiv oder negativ sind. Die Neuregelung soll insbesondere das Urteil vom 12.4.2018 (BFH, Urteil vom 12.4.2018, IV R 5/15, BFH/NV 2018, 881, BFH/PR 2018, 198) aushebeln, wonach ein Verlust aus originär gewerblicher Tätigkeit nicht zur Abfärbung führt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 6.6.2019 – IV R 30/16

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