Leitsatz

Der Erwerb von Wohnungseigentum von Todes wegen durch ein Kind ist nicht steuerbefreit, wenn das Kind die Wohnung nicht selbst nutzt, sondern unentgeltlich einem Dritten zur Nutzung überlässt. Das gilt auch bei einer unentgeltlichen Überlassung an nahe Angehörige.

 

Normenkette

§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin erbte von Vater V den hälftigen Miteigentumsanteil an der elterlichen Eigentumswohnung. Die Klägerin überließ ihren Anteil ihrer Mutter M unentgeltlich zur weiteren Nutzung. Die Klägerin selbst übernachtet gelegentlich in der Wohnung. Aufgrund dieses Sachverhalts lehnten sowohl das FA als auch die Vorinstanz (Hessisches FG, Urteil vom 24.3.2015, 1 K 118/15, Haufe-Index 7954136, EFG 2015, 1286) die Gewährung einer Steuerbefreiung wegen Erwerbs eines Familienheims ab.

 

Entscheidung

Die Revision ist unbegründet. Eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG für den Erwerb des hälftigen Miteigentumsanteils an der allein von M bewohnten Wohnung kommt nicht in Betracht.

Die Steuerbefreiung wird nur gewährt, soweit der Erblasser auf dem bebauten Grundstück bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim). Eine Wohnung ist zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt, wenn der Erwerber diese Absicht auch tatsächlich umsetzt. Dies erfordert, dass der Erwerber in die Wohnung einzieht und sie als Familienheim für eigene Wohnzwecke nutzt. Für eine Bestimmung zur Selbstnutzung reicht eine bloße Widmung zur Selbstnutzung durch den Erwerber – etwa durch Angabe in der ErbSt-Erklärung – nicht aus.

Schädlich ist darüber hinaus aber auch eine – wie im Streitfall vorliegende – unentgeltliche Überlassung an Dritte, selbst wenn es sich um Angehörige i.S.d. § 15 AO handelt. Denn auch in diesem Fall liegt keine unmittelbare tatsächliche Selbstnutzung der Wohnung vor. Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift etwa im Hinblick auf § 4 EigZulG verbietet sich. Denn § 4 Satz 2 EigZulG bestimmt ausdrücklich, dass eine Wohnung auch dann als zu eigenen Wohnzwecken genutzt anzusehen ist, wenn der Anspruchsberechtigte sie unentgeltlich zu Wohnzwecken an einen Angehörigen i.S.d. § 15 AO überlässt. Zudem verfolgen das EigZulG und das ErbStG unterschiedliche Zwecke. Durch das EigZulG sollte die Vermögensbildung der Bevölkerung durch Wohneigentum gefördert werden; durch das ErbStG soll das Familiengebrauchsvermögen in bestimmten Grenzen krisenfest erhalten werden.

Die dem Wortlaut entsprechende Auslegung ist auch deshalb geboten, weil die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt. Der BFH hat bereits in anderem, vergleichbarem Zusammenhang einer Zuwendung zwischen Ehegatten (BFH, Urteil vom 18.7.2013, II R 35/11, BStBl II 2013, 1051; BFH/NV 2013, 2012; Rz. 22) entschieden, dass es für die Besserstellung der Übertragung eines Hauses oder einer Wohnung einer qualifizierten Rechtfertigung bedürfe. Der grundgesetzlich gebotene Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) schließe es nicht aus, Vermögensübertragungen zwischen nahen Angehörigen (Ehegatten) zu besteuern.

 

Hinweis

Die Beteiligten streiten um die Begünstigung des Familienheimerwerbs von Todes wegen durch Kinder nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG. Ein Kind kann danach eine Steuerbefreiung nur in Anspruch nehmen, wenn das bebaute Grundstück beim ihm unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist. Die "Bestimmung" muss sich in einer darauffolgenden tatsächlichen Selbstnutzung manifestieren. Dies gilt i.d.R. ausnahmslos:

  • Nimmt der Erwerber die Selbstnutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken überhaupt nicht auf, ist der Erwerb nicht steuerbefreit.
  • Die Überlassung zur Nutzung selbst an nächste Angehörige erfüllt nicht den Privilegierungstatbestand.
  • Eine Ausweitung des Befreiungstatbestands würde mit dem verfassungsrechtlichen Verbot der Überprivilegierung unvereinbar sein.
 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 5.10.2016 – II R 32/15

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