Leitsatz

1. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse muss auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung durch die Revisionsinstanz vorliegen, was vom BFH von Amts wegen zu prüfen ist. Ausnahmsweise kann die Prüfung des Feststellungsinteresses unterbleiben, wenn feststeht, dass der Feststellungsantrag aus sachlichen Gründen unbegründet ist.

2. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstan­den, dass Altersvorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG nicht als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden können.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Buchst. b, § 10c Abs. 2 und Abs. 5, § 37 Abs. 3 Satz 2, § 39a, § 39b Abs. 2 Satz 6 Nr. 3 EStG, Art. 3 Abs. 1 GG, § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO

 

Sachverhalt

Der 1951 geborene Kläger erzielte im Streitjahr (2007) Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Im April 2007 schloss er mit einem Versicherungsunternehmen einen Vertrag über eine sog. Basisrente ("Rürup-Rente"). Darin wurde dem Kläger gegen eine Einmalzahlung in Höhe von 35.000 EUR ab 1.5.2016 eine lebenslange Garantierente von 163,43 EUR monatlich zugesagt.

Anfang Mai 2007 beantragte er beim FA die Eintragung eines Freibetrags in Höhe von 22.400 EUR (64 % des gezahlten Beitrags von 35.000 EUR) auf seiner Lohnsteuerkarte.

Das FA lehnte dies mit der Begründung ab, § 39a EStG sehe die Eintragung eines entsprechenden Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte nicht vor. Die nach erfolglos eingelegtem Einspruch erhobene und als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführte Klage wies das FG ab (FG Münster, Urteil vom 31.7.2008, 4 K 2376/07 E, Haufe-Index 2122567, EFG 2009, 664).

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers wies der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Gemäß § 39a Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b EStG sind auf der Lohnsteuerkarte die negative Summe der Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3, 6 und 7 EStG und der negativen Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG eintragungsfähig. Danach sind auch negative sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) zu berücksichtigen.

2. Solche können dann gegeben sein, wenn vorab entstandene Werbungskosten bei dieser Einkunftsart anfallen. Hierzu rechnen Beiträge in einen eigenen Basisrentenvertrag nicht, da der Gesetzgeber die Altersvorsorgeaufwendungen zulässigerweise mit konstitutiver Wirkung den Sonderausgaben zugewiesen hat (ausführlich BFH, Urteil vom 9.12.2009, X R 28/07, Haufe-Index 2276790, BFH/NV 2010, 334, unter B.II.2.b bb, BVerfG, Beschluss vom 14.6.2016, 2 BvR 323/10, BFH/NV 2016, 1421).

3. Die vom Kläger geleistete Einmalzahlung in den Basisrentenvertrag ("Rürup-Rente") kann auch nicht als Sonderausgaben auf der Lohnsteuerkarte gemäß § 39a EStG eingetragen werden. Denn nach § 39a Abs. 1 Nr. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung sind nur Sonderausgaben i.S.d. § 10 Abs. 1 Nrn. 1, 1a, 4, 5, 7 bis 9 EStG und des § 10b EStG, soweit sie den Sonderausgaben-Pauschbetrag von 36 EUR übersteigen, auf der Lohnsteuerkarte als Freibetrag eintragungsfähig. Aus dieser enumerativen Aufzählung ergibt sich, dass Vorsorgeaufwendungen generell – und damit auch Sonderausgaben i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG – nicht eintragungsfähig sind.

4. Dies wird im Hinblick auf die fehlende Eintragungsfähigkeit von Aufwendungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet (BFH, Urteil vom 9.12.2009, X R 28/07, a.a.O.).

5. Da Beiträge zu einer Basisrente i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG den Beiträgen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG vergleichbar sind, ist es von Verfassungs wegen auch nicht zu beanstanden, dass Einmalzahlungen in einen Basisrentenvertrag (ebenfalls) nicht als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden können, aber im Rahmen der Veranlagung berücksichtigt werden dürfen.

Die unterschiedliche Behandlung von Aufwendungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG im Vorauszahlungs- und im Lohnsteuerabzugsverfahren stellt – wie bei Aufwendungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst a EStG – keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar, sondern ist schon dadurch gerechtfertigt, dass beim Lohnsteuerabzug die Vorsorgeaufwendungen durch die – ggf. gekürzte – Vorsorgepauschale des § 10c Abs. 2, Abs. 5 i.V.m. § 39b Abs. 2 Satz 6 Nr. 3 EStG berücksichtigt werden.

Sonderregelung verfassungsrechtlich nicht geboten

Dass der Gesetzgeber im Rahmen von § 39a EStG und in § 10c Abs. 2 EStG keine Sonderregelung für Beiträge i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Buchst. b EStG getroffen hat, ist vom BFH ebenfalls nicht beanstandet worden. In beiden Fällen sei vom Fehlen einer Sonderregelung nur ein verhältnismäßig kleiner Personenkreis betroffen. Auch seien die damit verbundenen Nachteile nicht gravierend.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 10.11.2016 – VI R 55/08

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