Leitsatz

Löst ein Steuerpflichtiger mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die von ihm gebildete Ansparabschreibung für die geplante Anschaffung eines Wirtschaftsguts nicht spätestens durch Ansatz einer entsprechenden Betriebseinnahme in seiner Gewinnermittlung für den zweiten auf die Bildung folgenden Veranlagungszeitraum auf, so kann das FA den erklärungsgemäß für jenes Jahr ergangenen Einkommensteuerbescheid nicht nach Maßgabe des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO unter Hinweis auf das spätere Bekanntwerden der Nichtanschaffung des Wirtschaftsguts ändern. Denn die Nichtanschaffung ist kein Tatbestandsmerkmal für die Auflösung der Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. und daher insoweit keine rechtserhebliche Tatsache.

 

Normenkette

§ 173 Abs. 1 Nr. 1, § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d, Buchst. c AO, § 7g EStG a.F.

 

Sachverhalt

Der Kläger erzielte Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit und ermittelte den Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG. In seiner Gewinnermittlung für das Jahr 2004 erfasste er eine Betriebsausgabe in Höhe von 25.500 EUR mit dem Zusatz "Zuführung Rücklage nach § 7g (3) EStG". Diese Ansparabschreibung löste er weder im Jahr 2005 noch im Streitjahr 2006 auf. Das FA bemerkte dies erst nach der formell bestandskräftigen Festsetzung der Einkommensteuer für 2006. Es erließ daraufhin unter Verweis auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO einen Einkommensteueränderungsbescheid für 2006, in dem es die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit des Klägers um die Auflösung der Ansparabschreibung zzgl. eines Gewinnzuschlags erhöhte.

Das FG hat der hiergegen erhobenen Klage stattgegeben (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.5.2013, 5 K 3173/10, Haufe-Index 6351076).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision des FA aus den in den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen als unbegründet abgewiesen.

 

Hinweis

1. Das Urteil vermag auf den ersten Blick überraschen. Der Kläger hatte im Jahr 2004 eine sog. Ansparabschreibung gebildet und die zukünftige Investition als Betriebsausgabe bei seiner Gewinn­ermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG abgezogen. Weder schaffte er das Wirtschaftsgut an noch löste er die Ansparabschreibung in den zwei Folgejahren, wie vom Gesetz vorgeschrieben, als Betriebseinnahme wieder auf.

2. Dies blieb vom FA bei der Festsetzung der Einkommensteuer der Folgejahre zunächst unbemerkt. Erst bei einer Verprobung der Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2008 fiel ihm auf, dass die Ansparabschreibung spätestens im Jahr 2006 hätte aufgelöst werden müssen. Es machte den im Jahr 2004 zu Unrecht in Anspruch genommenen Betriebsausgabenabzug nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO im Streitjahr 2006 rückgängig. Es vertrat die Auffassung, dass ihm erst nachträglich bekannt geworden sei, dass die geplante Anschaffung des Wirtschaftsgutes innerhalb der Zweijahresfrist des § 7g EStG unterblieben sei.

3. Das FG hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben und den Änderungsbescheid aufgebhoben. Die Revision des FA gegen das FG-Urteil wurde als unbegründet zurückgewiesen. Der BFH hat in Bezug auf die Korrektur eines formell bestandskräftigen Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO eine rein formale Betrachtungsweise angewendet. Danach ist eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nur, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestands sein kann. Die "Nichtanschaffung" eines Wirtschaftsguts, für das eine Ansparabschreibung gebildet wurde, war jedoch gemäß § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. keine rechtserhebliche Tatsache in diesem Sinne. Das Gesetz sah eine gewinnerhöhende Auflösung der Ansparabschreibung nach Ablauf der zweijährigen Investitionsfrist unabhängig davon vor, ob die Anschaffung erfolgte oder nicht. Dies galt nach Ansicht des BFH auch unter Berücksichtigung der Regelung zum sog. Gewinnzuschlag nach § 7g Abs. 5 EStG. Auch diese knüpfte nicht an die "Nichtanschaffung" von Wirtschaftsgütern, sondern an den Ablauf der Investitionsfrist an. Dem FA war jedoch bei Erlass des Einkommensteuerbescheids für 2006 bekannt, dass der Kläger im Jahr 2004 eine Ansparabschreibung gebildet und diese im Streitjahr nicht aufgelöst hatte. Die Voraussetzungen für eine Korrektur des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids für 2006 lagen danach nicht vor.

4. Der BFH hat in seiner Entscheidung ausdrücklich betont, dass sich der vorliegende Fall wesentlich von der unterlassenen Auflösung eines Gewinnabzugs nach § 6c EStG unterscheide (s. hierzu BFH, Urteil vom 10.4.1997, IV R 47/96, BFH/NV 1997, 757). Dessen Auflösung war nach der gesetzlichen Regelung des § 6c EStG davon abhängig, dass weder eine Reinvestition vorgenommen noch mit der Errichtung eines Gebäudes begonnen wurde. Die Pflicht zur Auflösung des Gewinns hing danach, anders als bei § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG a.F., nicht allein vom Fristablauf ab.

5. Das Urteil ist ein positives Signal für die Steuerpflichtigen. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist kein Freibrief für die Finanzverwaltung, trotz der Kenntnis des entscheidungserheblichen Sachverh...

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