Leitsatz

1. Ein Fahrzeug, das aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und Einrichtung typischerweise so gut wie ausschließlich nur zur Beförderung von Gütern bestimmt ist, unterfällt nicht der Bewertungsregelung des § 8 Abs. 2 S. 2 EStG (1 %-Regelung).

2. Ob ein Arbeitnehmer ein solches Fahrzeug auch für private Zwecke eingesetzt hat, bedarf der Feststellung im Einzelnen. Die Feststellungslast obliegt dem FA. Dieses kann sich nicht auf den sog. Beweis des ersten Anscheins berufen.

 

Normenkette

§ 8 Abs. 1, § 8 Abs. 2 S. 2, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine im Heizungs- und Sanitärbedarf tätige GmbH, stellte ihrem Gesellschaftergeschäftsführer einen Opel Astra und einen Opel Combo als Firmenfahrzeuge zur Verfügung. Der Opel Combo war als zweisitziger Kastenwagen mit fensterlosem Aufbau, Materialschränken und -fächern sowie Werkzeug ausgestattet und mit auffälliger Beschriftung versehen. Das FA nahm die Klägerin durch Haftungsbescheid wegen der privaten Nutzung der beiden Fahrzeuge entsprechend der 1 %-Regelung in Haftung. Zusätzlich setzte es für den Opel Combo 0,03 % des Listenpreises pro km der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an.

Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab (FG Schleswig-Holstein vom 01.12.2006, 1 K 81/04, Haufe-Index 1748433). Mit der Revision wandte sich die Klägerin gegen die Anwendung der 1 %-Regelung für die Überlassung des Opel Combo.

 

Entscheidung

Der BFH entsprach der Revision der Klägerin und änderte den Haftungsbescheid mit der Maßgabe, dass für die private Nutzung des Opel Combo kein geldwerter Vorteil zu berücksichtigen ist.

 

Hinweis

Im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines LSt-Haftungsbescheids war die zentrale Frage des Besprechungsurteils, für welche Kfz i.S.d. § 8 Abs. 2 S. 2 EStG die 1 %-Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG gilt.

1. Die Entscheidung knüpft zunächst an die bekannten Rechtsgrundsätze, wonach zum Arbeitslohn i.S.d. § 19 EStG alle geldwerten, vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zugewandten Vorteile einschließlich der unentgeltlichen oder verbilligten Dienstwagen-Überlassung gehören (BFH, Urteile vom 06.11.2001, VI R 62/96, BFH/NV 2002, 701, BFH/PR 2002, 202; vom 07.11.2006, VI R 19/05, BFH/NV 2007, 136, BFH/PR 2007, 52; VI R 95/04, BFH/NV 2007, 329, BFH/PR 2007, 128; vom 04.04.2008, VI R 68/05, BFH/NV 2008, 1240, BFH/PR 2008, 376).

2. Der Begriff Kfz ist in den die Grundlage der 1 %-Regelung bildenden gesetzlichen Tatbeständen (§ 8 Abs. 2 S. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG) nicht definiert. Dennoch wird man dazu nicht jeden Radlader, Bagger oder Muldenkipper zählen können. Zu Recht nehmen daher Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 13.02.2003, X R 23/01, BFH/NV 2003, 849, BFH/PR 2003, 256) und Finanzverwaltung (BMF, Schreiben vom 21.01.2002, BStBl I 2002, 148, Tz. 1) bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen, insbesondere Lkw und Zugmaschinen, von der 1 %-Regelung aus. Denn der dieser 1 %-Regelung zugrunde liegende allgemeine Erfahrungssatz, dass bestimmte Arten von Kfz, insbesondere Pkw und Krafträder, nicht selten für private Zwecke genutzt werden, lässt sich grundsätzlich nicht auf Lkw, Zugmaschinen etc. erstrecken, die nach Bauart und Einrichtung jedenfalls vorwiegend der Beförderung von Gütern dienen (BFH, Beschluss vom 21.08.2006, VII B 333/05, BFH/NV 2006, 2001, BFH/PR 2006, 461).

3. Weil der Opel Combo als Werkstattwagen nach seiner objektiven Beschaffenheit und Einrichtung typischerweise so gut wie ausschließlich zur Beförderung von Gütern bestimmt sei, erklärte der BFH angesichts vorstehender Grundsätze § 8 Abs. 2 S. 2 EStG für dieses Kfz nicht anwendbar. Denn ein Fahrzeug dieser Art werde allenfalls gelegentlich und ausnahmsweise privat genutzt; die Anzahl der Sitzplätze, das äußere Erscheinungsbild, die Verblendung der hinteren Fenster und die Abtrennung zwischen Lade- und Fahrgastraum mache das Fahrzeug für eine Privatnutzung ungeeignet.

4. Damit ist allerdings der Ansatz eines privaten Nutzungsvorteils für ein solches Fahrzeug nicht ausgeschlossen. Nur: Die Privatnutzung ist dann im Einzelnen konkret festzustellen. Die Feststellungslast dazu liege beim FA. Zwar spreche bei einer Überlassung eines Dienstwagens an einen Arbeitnehmer aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung der Beweis des ersten Anscheins für eine auch private Nutzung des Fahrzeugs (BFH, Urteile vom 07.11.2006, VI R 19/05, BFH/NV 2007, 136; BFH/PR 2007, 52; vom 15.03.2007, VI R 94/04, BFH/NV 2007, 1302). Dies gelte aber nicht für ein Fahrzeug, das typischerweise zum Privatgebrauch ungeeignet sei.

Die daran anschließende Frage, wie im Fall einer festgestellten (Feststellungslast vgl. oben) doch erfolgten Privatnutzung der Vorteil zu bewerten ist, beantwortet der BFH auch: Der Vorteil ist dann nicht nach § 8 Abs. 2 S. 2 EStG, sondern nach § 8 Abs. 2 S. 1 EStG zu bewerten.

5. Zu beachten ist: Der BFH stellt zur Begründung seiner Entscheidung nicht darauf ab, dass der Opel Combo kraftfahrzeugsteuerlich als Lkw gilt. Entscheidend war die objektive Beschaffenheit des Fahrzeu...

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