Leitsatz

1. Ein Steuerpflichtiger ist nicht berechtigt, seine Altersvorsorgebeiträge als Sonderausgaben gemäß § 10a EStG abzuziehen, wenn er nicht mehr "aktiv", sondern lediglich in früheren Jahren in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert gewesen ist.

2. Eine Berechtigung zum zusätzlichen Sonderausgabenabzug ergibt sich ebenfalls nicht aus einer bestehenden Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk.

3. Die Abzugsberechtigung gemäß § 10a EStG ist auch nicht daraus abzuleiten, dass der Steuerpflichtige über seinen Ehegatten gemäß § 79 Satz 2 EStG mittelbar einen Anspruch auf die Altersvorsorgezulage hat.

4. Die Nichtgewährung des zusätzlichen Sonderausgabenabzugs verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz.

 

Normenkette

§ 10a, § 79 Satz 2 EStG, Art. 3 GG, § 68, § 255e SGB VI

 

Sachverhalt

Die Kläger wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin war in den Streitjahren bei der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Der Kläger war seit 2000 als selbstständiger Steuerberater nach der Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks. In den Jahren 1976 bis 1999 war er in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert gewesen und hatte nicht unerhebliche Rentenanwartschaften erworben. Beide Ehepartner schlossen einen Altersvorsorgevertrag zum Aufbau einer sog. Riesterrente ab. Das FA gewährte dem Kläger keinen eigenen zusätzlichen Sonderausgabenabzug gemäß § 10a Abs. 1 EStG, sondern berücksichtigte seine Aufwendungen lediglich im Rahmen des § 10a Abs. 3 EStG mit dem Resultat, dass die Kläger in den Streitjahren ihre Altersvorsorgebeiträge nicht vollständig abziehen konnten. Vorverfahren und Klage waren ohne Erfolg (FG München, Urteil vom 5.3.2012, 7 K 2772/09, Haufe-Index 3710888).

 

Entscheidung

Auch die Revision der Kläger war aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen erfolglos.

 

Hinweis

1. Im Rahmen der steuerlichen Förderung der sog. Riesterrente können die in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherten bzw. die ihnen gleichgestellten Personengruppen (z.B. Beamte) Altersvorsorgebeiträge zuzüglich der dafür nach Abschnitt XI zustehenden Zulage ab dem VZ 2008 jährlich bis zu 2.100 EUR als Sonderausgaben abziehen (§ 10a Abs. 1 EStG).

2. Voraussetzung ist, dass die Steuerpflichtigen in dem konkreten Veranlagungszeitraum in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind. Eine frühere Pflichtmitgliedschaft reicht nicht aus, auch wenn die in dieser Zeit erworbenen Rentenanwartschaften ebenfalls von den Rentenkürzungen durch das Altersvermögens-Ergänzungsgesetz betroffen sind. Der X. Senat leitet die ausschließliche Berechtigung der sog. aktiven Versicherten zum zusätzlichen Sonderausgabenabzug sowohl aus dem Gesetzeswortlaut des § 10a EStG, den Gesetzesmaterialien, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck des zusätzlichen Sonderausgabenabzugs ab.

3. Die Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk berechtigt ebenfalls nicht zur Inanspruchnahme des zusätzlichen Sonderausgabenabzugs, da die in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung Pflichtversicherten keine Kürzung des ihnen zustehenden Rentenniveaus durch das AVmEG hinzunehmen haben. Es reicht nicht aus, dass die Leistungen der Versorgungswerke aufgrund der demografischen Entwicklungen ebenfalls Kürzungen erfahren haben und erfahren.

4. Eine Berechtigung zum zusätzlichen Sonderausgabenabzug folgt auch nicht daraus, dass dem nicht zulageberechtigten Ehegatten durch § 79 Satz 2 EStG mittelbar ein Anspruch auf die Altersvorsorgezulage gewährt wird. Anders als § 79 Satz 2 EStG räumt § 10a Abs. 1 EStG dem mittelbar betroffenen Ehegatten eben nicht die Möglichkeit ein, selbst einen zusätzlichen Sonderausgabenabzug in Anspruch zu nehmen. In § 10a Abs. 3 Satz 1 EStG ist vielmehr ausdrücklich geregelt, dass der Abzugsbetrag nach § 10a Abs. 1 EStG nur dann von beiden Ehegatten in Anspruch genommen werden kann, wenn jeder Ehegatte für sich die entsprechenden persönlichen Voraussetzungen gemäß § 10a Abs. 1 EStG erfüllt.

Berücksichtigt werden können die von dem mittelbar begünstigten Ehegatten geleisteten Altersvorsorgebeiträge gemäß § 10a Abs. 3 Satz 1 EStGlediglich im Rahmen des Abzugsvolumens, das dem nach § 10a Abs. 1 EStG begünstigten Ehegatten zusteht.

5. Der Ausschluss der Pflichtversicherten eines berufsständischen Versorgungswerks aus dem Kreis der Begünstigten des § 10a EStG ist nach Ansicht des X. Senats vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt und verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 29.7.2015 – X R 11/13

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