Leitsatz

1. Der Verlust der wirtschaftlichen Identität einer GmbH gem. § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1999/2002 setzt voraus, dass zwischen der Übertragung der Gesellschaftsanteile und der Zuführung neuen Betriebsvermögens ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht (Bestätigung des Senatsurteils vom 26.5.2004, I R 112/03, BStBl II 2004, 1085). Es ist ernstlich zweifelhaft, dass dieser Zusammenhang gegeben ist, wenn zwischen der schädlichen Anteilsveräußerung i.S.d. § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1999/2002 und der Fortführung des Unternehmens nach Zuführung neuen Betriebsvermögens mehr als drei Jahre liegen (Abweichung vom BMF-Schreiben vom 16.4.1999, BStBl I 1999, 455 Tz. 12 und 33).

2. Einstweiliger Rechtsschutz mit dem Ziel der vorläufigen Berücksichtigung eines höheren Verlustvortrags kann nur durch Anfechtung und Aussetzung der Vollziehung des vorangehenden Verlustfeststellungsbescheids, nicht aber des Folgebescheids erreicht werden.

 

Normenkette

§ 8 Abs. 4 KStG , § 69 Abs. 3 FGO

 

Sachverhalt

Mit Vertrag vom 14.8.1998 veräußerte der alleinige Gesellschafter der Antragstellerin, einer GmbH, die ihm gehörenden Geschäftsanteile an eine andere GmbH (GmbH II). Am 21.12.2001 schlossen die Antragstellerin und eine weitere GmbH (GmbH III), deren Stammkapital die GmbH II hielt, einen Verschmelzungsvertrag, wonach die GmbH III auf die Antragstellerin verschmolzen und unter geänderter Firma fortgeführt wurde. Alsdann beschloss die Antragstellerin eine Erhöhung ihres Stammkapitals von bislang 50.000 DM auf 200.000 Euro; die neue Stammeinlage wurde ebenfalls von der GmbH II übernommen.

In den Jahren ab 1995 hatte die Antragstellerin folgende Betriebsergebnisse erzielt (Jahresüberschüsse/-verluste): 1995 11.474 DM, 1996 ./. 1.177 DM, 1997 ./. 1.519 DM, 1998 ./. 243.638 DM, 1999 ./. 163.086 DM, 2000 ./. 78.633 DM, 2001 65.666 DM und 2002 202.861 DM. Hiernach hatte das FA die jeweils verbleibenden Verlustabzüge zur Körperschaftsteuer zum 31.12. 2000 und zum 31.12.2001 festgestellt.

Bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer 2001 und 2002 (Streitjahre) wich das FA von den Steuererklärungen insoweit ab, als es die Verrechnung der Jahresüberschüsse mit Verlustvorträgen unter Hinweis auf § 8 Abs. 4 KStG 1999/2002 und das dazu ergangene BMF-Schreiben vom 16.4.1999 (BStBl I 1999, 455 Tz. 12 und 33) nicht anerkannte. Dementsprechend änderte das FA die Feststellungen des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2001 auf null und setzte die Körperschaftsteuer 2001 und 2002 ohne Abzug der Verluste fest. Dagegen legte die Antragstellerin Einsprüche ein, die erfolglos blieben. Über die anschließende Klage ist noch nicht entschieden.

Dem nach zuvoriger Ablehnung durch das FA beim FG gestellten Antrag auf AdV der angefochtenen Bescheide wurde stattgegeben (EFG 2004, 1398).

 

Entscheidung

Dem folgte im Grundsatz auch der BFH. Die Gründe für dessen im Weg summarischer Prüfung gefundenen Erkenntnisse entnehmen Sie den Praxis-Hinweisen.

In einem Punkt blieb der AdV-Antrag allerdings erfolglos: Die Antragstellerin hatte (nur) die Körperschaftsteuerbescheide angefochten, nicht aber die auf null lautenden Verlustfestellungsbescheide. Letzteres wäre indes erforderlich gewesen. Denn einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel der vorläufigen Berücksichtigung eines höheren Verlustvortrags kann allein durch Anfechtung und AdV der Feststellungsbescheide als Grundlagenbescheide erreicht werden, nicht aber der Steuerbescheide als Folgebescheide (vgl. § 42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 2 AO).

 

Hinweis

Es ging im Beschlussfall einmal mehr darum, unter welchen Voraussetzungen Verluste einer Kapitalgesellschaft abgezogen werden können (vgl. dazu zuletzt BFH-PR 2005, 16):

1. Gem. § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG 1999/2002 ist Voraussetzung für den Abzug von Verlusten nach § 10d EStG bei einer Körperschaft, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. Nach dem Regelbeispiel in § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1999/2002, der sog. Mantelkauf-Regelung, fehlt einer Kapitalgesellschaft die wirtschaftliche Identität, wenn – erstens – bezogen auf das gezeichnete Kapital mehr als die Hälfte der Geschäftsanteile übertragen werden, – zweitens – überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt und – drittens – der Geschäftsbetrieb mit diesem neuen Betriebsvermögen fortgeführt oder wieder aufgenommen wird.

2. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall im Einzelnen und für sich gesehen erfüllt. Allerdings lag zwischen der schädlichen Anteilsübertragung im Jahr 1998 und der ebenfalls schädlichen Betriebsvermögenszuführung im Jahr 2001 ein Zeitraum von rund 3,5 Jahren. In Anbetracht dessen stellen sich zwei Zweifelsfragen:

  • Verlangt das Gesetz zwischen den einzelnen Etappen der Tatbestandsverwirklichung einen zeitlichen oder sogar – noch weitergehend – einen sachlichen Zusammenhang? Wenn ja: Welches sind die Erfordernisse eines solchen Zusammenhangs, insbesondere wie lang wäre ein Zeitzusammenhang max. zu bemessen? Oder genügt es, we...

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