Leitsatz

Weder nach nationalem Recht noch nach europäischem Gemeinschaftsrecht besteht ein Kindergeldanspruch eines Elternteils, der ein zu berücksichtigendes Kind in seinen Haushalt in einem anderen Mitgliedstaat aufgenommen hat, wenn der andere, nicht betreuende Elternteil die Anspruchsvoraussetzungen nach § 62 EStG erfüllt.

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist ausländische Staatsangehörige und Mutter der am 1.2.2010 geborenen Tochter. Sie wohnte zusammen mit dem Kindesvater und Ehemann im Inland, und bezog ab Februar 2010 von der Familienkasse Kindergeld für die gemeinsame Tochter. Im Juli 2011 trennten sich die Eheleute und die Klägerin kehrte ins Ausland zurück, wo sie seitdem zusammen mit ihrer Tochter wohnt. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 2 EStG ab 1.8.2011 auf. Der Kindesvater wirkte in dem Verfahren auf Prüfung des Anspruchs auf Kindergeld nicht mit. Den Einspruch der Klägerin wies die Familienkasse zurück, da der Kindesvater die Voraussetzungen nach § 62 Abs. 1 EStG nicht erfülle. Im Klageverfahren beantragt die Klägerin über ihren Antrag auch als Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes an das Kind selbst zu entscheiden.

 

Entscheidung

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kindergeld, da sie im Streitzeitraum ihren Wohnsitz im Ausland hatte und daher die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 EStG nicht erfüllt sind. Obwohl die Klägerin als Unionsbürgerin in den Anwendungsbereich von Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 fällt, hat sie keinen Anspruch auf deutsches Kindergeld. Für die Klägerin sind nach der VO Nr. 883/

2004 nicht die nationalen Vorschriften zum Bezug von Kindergeld anzuwenden, da die Klägerin im Streitzeitraum im Bundesgebiet keine Beschäftigung ausübte(Art. 11 Abs. 3a VO Nr. 883/2004). Der Klägerin muss auch deshalb kein Kindergeld zuerkannt werden, weil dem Kindesvater in dieser Konstellation ebenfalls Kindergeld zu versagen wäre. Für diesen gilt nämlich, dass die in einem anderen Mitgliedsstaat lebende Klägerin, die das gemeinsame Kind allein in ihren Haushalt aufgenommen hat, den Kindesvater nach § 64 EStG vom Bezug von Kindergeld ausschließt.

 

Hinweis

Die Revision wurde zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Über den Anspruch eines Elternteils auf Kindergeld, der ein zu berücksichtigendes Kind in seinen Haushalt in einem anderen Mitgliedstaat aufgenommen hat, und bei dem der andere nicht betreuende Elternteil die Anspruchsvoraussetzungen nach § 62 EStG erfüllt, wurde nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 22.10.2015 höchstrichterlich noch nicht entschieden.

 

Link zur Entscheidung

Sächsisches FG, Urteil vom 31.08.2016, 5 K 1807/15 (Kg)

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