Leitsatz

Eine Bereicherung in Form ersparter Aufwendungen hinsichtlich beiläufig erworbener Kenntnisse und Fertigkeiten (hier: Führerscheinkosten der Klasse 3) im Rahmen einer umfassenden Gesamtausbildung zum Polizeivollzugsdienst muss nicht zu Arbeitslohn eines Polizeianwärters führen, sofern das Ausbildungsinteresse des Dienstherrn im Vordergrund steht.

 

Normenkette

§ 19 Abs. 1 Satz 1 EStG , § 2 LStDV

 

Sachverhalt

Nach dem Realschulabschluss wurde der Kläger als Polizeianwärter im mittleren Polizeivollzugsdienst der hessischen Bereitschaftspolizei eingestellt. Die Ausbildung erfolgte nach der einschlägigen hessischen Ausbildungs- und Prüfungsordnung. Der Vorbereitungsdienst gliederte sich in drei Ausbildungsabschnitte. Nach der einjährigen Grundausbildung hatten alle Anwärter im zweiten Ausbildungsabschnitt die Berechtigung B zum Führen von Dienstfahrzeugen (und zugleich die Fahrerlaubnis der Klasse 3) zu erwerben.

Die Fahrausbildung hierzu erfolgte in speziellen Lehrgängen, u.a. bei der hessischen Bereitschaftspolizei durch Polizeifahrlehrer, und sollte die Anwärter befähigen, Polizeifahrzeuge selbstständig auch in schwierigen Verkehrslagen zu beherrschen. Der Unterricht der Anwärter umfasste 78 Stunden theoretischen und 112 Stunden praktischen Unterricht. Der Erwerb der Berechtigung B (nebst Fahrerlaubnis der Klasse 3) war Voraussetzung für den dritten Ausbildungsabschnitt. Bei Nichtbestehen wurde der Anwärter aus dem polizeilichen Vorbereitungsdienst entlassen.

Das FA vertrat die Auffassung, der Kläger habe eigene Aufwendungen hinsichtlich des Erwerbs des Führerscheins der Klasse 3 erspart. Diese Kosten schätzte das FA auf 1.500 DM; diesen Betrag rechnete es der Ausbildungsvergütung (Arbeitslohn) des Klägers hinzu.

Das FG gab der Klage statt. Das Ausbildungsinteresse des Dienstherrn an einer umfassenden Ausbildung des Klägers überwiege gegenüber dem geldwerten Vorteil, den der Kläger zweifellos erzielt habe.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Vorentscheidung. Das FG sei zutreffend davon ausgegangen, dass das eigenbetriebliche Interesse des Dienstherrn überwiege. Die Ausführungen des FG seien revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Hinweis

1. Nicht alles, was ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zuwendet, hat den Charakter einer Entlohnung ("für die Beschäftigung"). Nach objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalls kommt solchen Vorteilen kein Entlohnungscharakter zu, die sich lediglich als notwendige Begleiterscheinungen betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen. Ist ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers zu bejahen, so liegen keine Leistungen vor, die sich als Gegenleistung für das zur Verfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweisen (vgl. auch BFH, Urteil vom 30.5.2001, VI R 177/99, BFH-PR 2001, 371).

2. Der Streitfall war im Wesentlichen durch nachstehende Umstände geprägt.

Sämtliche Beteiligte hatten zunächst übersehen, dass sich die Ausbildung des Klägers nach landesrechtlichen Vorschriften richtete. Nach § 118 Abs. 1 FGO kann indessen eine Revision nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruht. Landesrechtliche Vorschriften wirken wie tatsächliche Feststellungen, an die der BFH regelmäßig gebunden ist. Insofern war die revisionsrechtliche Überprüfung der Vorentscheidung von vornherein nur eingeschränkt möglich.

Auf dieser (landesrechtlichen) Grundlage war das FG nach einer eingehenden Würdigung der tatsächlichen Umstände zu der Wertung gelangt, dass ein ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des Dienstherrn an einer qualitativ hochwertigen polizeilichen Gesamtausbildung des Klägers (Anwärters) bestehe. Ein Polizist benötige im Hinblick auf verkehrsregelnde und -überwachende Funktionen sowie das Einschreiten in Gefahren- und Unfallsituationen ein erhebliches Mehr an theoretischem und praktischem Wissen als ein Besitzer des Führerscheins der Klasse 3. Dieses Mehr sei Voraussetzung für den Beruf bzw. für die (endgültige) Einstellung.

Die beiläufige Finanzierung dieser Fahrerlaubnis stelle zwar einen – nicht geringfügigen – geldwerten Vorteil dar. Gleichwohl überwiege aufgrund der geschilderten Umstände das eigenbetriebliche Interesse des Dienstherrn. Diese vom FG vorgenommene Abwägung und Bewertung hielt der BFH für zutreffend. Dies auch deshalb, weil die Leistungen, die der Kläger als Anwärter zu erbringen hatte, hoheitlich (zwingend) vorgeschrieben waren und er sich ihnen nicht entziehen konnte.

Wichtig ist, dass der BFH – wie auch das FG – die (Gesamt-)Ausbildung als Einheit betrachtete. Dass die "Grundkenntnisse" (= Führerschein Klasse 3) im zivilen Bereich "marktgängig" seien, mache den (partiellen) Aufwand nicht zum Arbeitslohn.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.6.2003, VI R 112/98

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