OFD Magdeburg, 29.2.2012, S 2134 a - 15 - St 213

 

1. Allgemeines

Die Vorteile der Übernahme einer Arztpraxis bestehen im Patientenstamm, eingespieltem Personal, einer kompletten Praxisinfrastruktur sowie einer realistischen Ertragsvorschau.

Seit dem Gesundheitsstrukturgesetz 1993 vom 21.12.1992 (BGBl 1993 I S. 2266) bestehen für die Niederlassung von Ärzten Zulassungsbeschränkungen. Sofern durch die Kassenärztliche Vereinigung eine Überversorgung in einem Planungsbereich festgestellt wird, tritt somit grundsätzlich eine Zulassungssperre ein, wobei frei werdende Vertragsarztsitze erlöschen.

Im nicht gesperrten Planungsbereich wird lediglich eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung benötigt. Die Praxisübernahme ist dann nur noch eine zivilrechtliche Angelegenheit.

Im für Neuzulassungen gesperrten Planungsbereich hat der Gesetzgeber ein relativ umfängliches Verfahren festgelegt, nach welchem ein Zulassungsausschuss den geeigneten Praxisnachfolger auszuwählen hat.

Ein ausscheidender Arzt, der seine Praxis in einem überversorgten Planungsbereich betreibt und diese veräußern möchte, wendet sich an die Kassenärztliche Vereinigung und beantragt bei dieser seine bestehende Praxis zur Nachfolge auszuschreiben. Dieser Antrag löst dann ein Zulassungsverfahren aus, bei dem die Zulassung des Erwerbers vom Vorliegen persönlicher Eigenschaften (berufliche Eignung, Approbationsalter) abhängt und im Ermessen des Zulassungsausschusses steht. Bei der Ermessensentscheidung sind auch die wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Vertragsarztes zu berücksichtigen. Dies gilt jedoch nur insoweit, als der Kaufpreis den Verkehrswert der Praxis nicht übersteigt (vgl. § 103 Abs. 4 Satz 8 SGB V). Der Kaufpreis für die Praxis ist auf den – aus sämtlichen wertbildenden Faktoren zusammengesetzten – Verkehrswert begrenzt. Ein Kaufpreisanteil für den Vorteil aus der Vertragsarztzulassung ist gemäß § 103 Abs. 4 Satz 8 SGB V nicht vorgesehen (vgl. BFH-Urteil vom 9.8.2011, VIII R 13/08, BStBl 2011 II S. 875, Rz. 24).

Durch diese Verfahrensweise wird für den die Praxis übergebenden Vertragsarzt auch in einem überversorgten Planungsbereich eine wirtschaftliche Verwertung der Praxis bzw. der Zulassung möglich.

§ 103 Abs. 4 SGB V bewirkt daher, dass der Kaufinteressent der Praxis die öffentlichrechtliche Zulassung erhalten kann und somit u. U. auch der Praxiserwerb möglich wird, obwohl grundsätzlich eine Zulassungssperre für den Planungsbereich besteht. Ohne diese Regelung könnte ein aufgebender Arzt seine Praxis quasi nicht mehr veräußern, da ohne eine vertragsärztliche Zulassung eine bedeutende Grundlage für die Fortführung der Praxis durch den Erwerber entzogen wäre.

 

2. Steuerliche Behandlung

 

2.1 Grundsatz

Mit seinem Urteil vom 9.8.2011, VIII R 13/08 (a.a.O.) hat der BFH erstmals entschieden, dass der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt im Regelfall im Praxiswert einer Arztpraxis enthalten ist.

Der die Praxis übergebende Vertragsarzt kann den Vorteil aus seiner Zulassung grundsätzlich nicht selbstständig verwerten. Er kann nur gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung einen Antrag auf Fortführung der bestehenden Praxis durch einen Nachfolger stellen. Beim Praxiswert handelt es sich daher um ein Paket, welches sich aus verschiedenen wertbildenden Einzelbestandteilen zusammensetzt (Patientenstamm, Standort, Umsatz, Facharztgruppe, etc.).

Erwirbt daher ein Praxisnachfolger

  • eine bestehende Arztpraxis,
  • einen Teilbetrieb oder
  • einen Mitunternehmeranteil

mit Vertragsarztsitz und zahlt er unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses des ausscheidenden Vertragsarztes oder dessen Erben einen Kaufpreis, der dem Verkehrswert der Praxis entspricht, ist der Zulassung als Vertragsarzt kein besonderer Wert beizumessen und sie ist somit einheitlich mit dem Praxiswert abzuschreiben. In derart gelagerten Fällen lässt sich von dem Praxiswert kein gesondertes Wirtschaftsgut ‚Vorteil aus der Vertragsarztzulassung’ abspalten.

 

2.2 Ausnahme

Auch wenn der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt grundsätzlich kein neben dem Geschäftswert der übernommenen Praxis stehendes oder ihn überlagerndes selbständiges Wirtschaftsgut ist, schließt dies nicht aus, dass in Sonderfällen die Zulassung zum Gegenstand eines gesonderten Veräußerungsvorgangs gemacht und damit zu einem selbständigen Wirtschaftsgut konkretisiert werden kann (so auch BFH vom 9.8.2011, VIII R 13/08, Rz. 25 ff, a.a.O.). Dies kann der Fall sein, wenn ein Arzt an einen ausscheidenden Arzt eine Zahlung im Zusammenhang mit der Erlangung der Vertragsarztzulassung leistet, ohne jedoch die Praxis (mit ihren Räumen und dem Patientenstamm) tatsächlich zu übernehmen, weil er den Vertragsarztsitz an einen anderen Ort verlegen will (vgl. dazu auch Urteil des Niedersächsischen FG vom 28.9.2004, Az. 13 K 412/01, EFG 2005 S. 420).

In derart gelagerten Fällen entsteht ein selbstständiges immaterielles Wirtschaftsgut ‚Vertragsarztzulassung/Kassenzulassung’, dem entsprechende Anschaffungskosten zuzuordnen sind...

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