Formelle Fehler, ohne Anhaltspunkte dafür, dass die Buchführung (Kasse) unrichtig oder unvollständig ist, reichen für eine Schätzung grundsätzlich nicht aus.[1] Bei formellen und auch bei unwesentlichen Fehlern sollte der Betriebsprüfer von sich aus klären, ob die Zweifel oder Unklarheiten, die sich aus den Fehlern ergeben, auf andere Art und Weise als durch eine Schätzung beseitigt werden können. Im Zweifel kann man vom Betriebsprüfer verlangen, dass er schriftlich darlegt, warum er in welcher Höhe Schätzungen vornimmt.

Der Betriebsprüfer darf geringfügige Fehler in der Kassenführung nicht zum Anlass nehmen, Einnahmen bzw. Umsätze willkürlich zu schätzen. Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO, darf die Finanzverwaltung die Besteuerungsgrundlagen nur schätzen, "soweit" die Besteuerungsgrundlagen nicht durch die Betriebsprüfung ermittelt werden können. Die Gesetzesformulierung enthält ausdrücklich die Formulierung "soweit". Eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage, die darüber hinausgeht, ist rechtlich nicht zulässig.

Außerdem muss die Schätzung darauf ausgerichtet sein, die zutreffende Besteuerungsgrundlage zu ermitteln. Das heißt, die mittels Schätzung gefundenen Besteuerungsgrundlagen sollen die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegeln. Hier wird es dann regelmäßig Auseinandersetzungen mit dem Finanzamt geben.

Eine Schätzung, die allein den umsatzstärksten Monat als Grundlage heranzieht, ist zumindest dann unzutreffend, wenn es dafür keine sachlichen Anhaltspunkte gibt. Man muss verlangen können, dass der Betriebsprüfer innerbetriebliche Betriebsvergleiche und anerkannte Schätzungsmethoden detailliert auf die jeweilige Betriebssituation anwendet und begründen kann.

Die Schätzung eines höheren Umsatzes ist z. B. nur dann gerechtfertigt, wenn auch der Wareneinkauf in den Vergleichsmonaten entsprechend höher liegt. Es kommt also entscheidend darauf an, ob der Warenumsatz in etwa im entsprechenden Verhältnis zum Wareneinsatz steht.

Auch könnte ein innerer Betriebsvergleich (z. B. mit Vorjahren) zeigen, wie die betriebliche Situation tatsächlich aussieht. Wenn in jedem Jahr dieselbe Umsatzkurve vorliegt, handelt es sich regelmäßig um saisonbedingte Veränderungen, sodass aus diesem Grund eine Schätzung nicht gerechtfertigt ist.

Auch eine Nachkalkulation könnte die tatsächliche Situation wiedergeben, wenn eine Methode angewendet wird, die der Realität entspricht.

Die Zeitreihenvergleichsmethode ist zwar ungenau, aber besser als eine Schätzung ins Blaue hinein. Hier findet zumindest ein Abgleich zwischen Umsatz und Wareneinsatz statt.

Mithilfe einer Geldverkehrsrechnung lässt sich ermitteln, ob die Geldmittel, die dem Unternehmer und seiner Familie zur Verfügung standen, ausreichend hoch waren. Hier kommt es natürlich darauf an, die Lebenssituation zutreffend einzuschätzen.

In seinem Beschluss vom 23.2.2018[2] zeigt der BFH die Grenzen auf, die das Finanzamt nicht überschreiten darf. Aus dieser Entscheidung kann man ableiten, dass eine Schätzung, die sich nur auf formelle und/oder unwesentliche Fehler stützt, sachlich nicht gerechtfertigt ist. Der Betriebsprüfer muss darlegen können, warum er den Umsatz und Gewinn um den von ihm geschätzten Betrag erhöht. Da ohne sachliche Gründe (wie zuvor beschrieben) keine (Zu-)Schätzung erfolgen darf, muss man vom Betriebsprüfer verlangen können, dass er seine Auffassung schriftlich darlegt. Ohne schriftliche Begründung, sollte die Diskussion mit dem Betriebsprüfer in diesem Zusammenhang nicht ohne einen Zeugen erfolgen.

Ob Gutscheine, die nicht aufbewahrt wurden, eine Auswirkung auf die Kassenführung haben, muss nachgewiesen und darf nicht unterstellt werden. Außerdem muss berücksichtigt werden, ob sich im Verhältnis zum Gesamtumsatz durch das Nichtaufbewahren überhaupt eine nennenswerte Auswirkung ergeben kann.

Bei den Gutscheinen, die nach dem 31.12.2018 ausgestellt werden, ist die Situation anders zu beurteilen. Es ist zwischen "Einzweck-Gutscheinen" und "Mehrzweck-Gutscheinen" zu unterscheiden.[3] Einzweck-Gutscheine sind aufgrund der neuen gesetzlichen Regelung die Gutscheine, bei denen

  • der Ort der Lieferung oder sonstigen Leistung, auf den sich der Gutschein bezieht, feststeht, wobei der Leistungsort hinreichend bestimmt, wenn der Gutschein in Deutschland einzulösen ist,
  • und im Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins die Leistung so konkret wiedergegeben ist, dass hinsichtlich des anzuwendenden Steuersatzes keine Zweifel möglich sind.

Bei Gutscheinen z. B. für

  • einen Haarschnitt beim Friseur,
  • den Besuch eines Konzerts,
  • den Aufenthalt in einem bestimmten Hotel bzw. im Hotel einer bestimmten Hotelgruppe oder
  • ein Menü/Mittag- oder Abendessen in einem bestimmten Restaurant

ist die Leistung so konkret bezeichnet, dass der Steuersatz feststeht. Der Verkauf des Gutscheins muss dann bereits als umsatzsteuerpflichtiger Erlös erfasst werden. Konsequenz ist, dass bei der Einlösung des Einzweck-Gutscheins kein Umsatz vorliegt.

Der Unternehmer muss den Erlös für den Einzweck-Gutschein in der Kasse erfassen,...

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