Im neu eingefügten Satz 3 in § 146 Abs. 1 AO wird die Pflicht zur Einzelaufzeichnung aus Zumutbarkeitsgründen eingeschränkt, wenn Waren bar an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen verkauft werden. Erstmals wurde die Zumutbarkeitsregel, die bis dahin aus einem historischen BFH-Urteil von 1966[1] abgeleitet wurde, gesetzlich verankert.

Auf die Formulierung, nach der es sich dabei – entsprechend der bisherigen ständigen Rechtsprechung – um Waren von geringem Wert handeln muss, wurde verzichtet.

Voraussetzung ist jedoch, dass die Identität der Käufer regelmäßig für die Geschäftsvorfälle nicht von Bedeutung ist. Diese Änderung ist mit Veröffentlichung des "Kassengesetzes 2016"[2] am 29.12.2016 in Kraft getreten.

Der Begriff "Waren" ist großzügig auszulegen. Analog zu den Warenverkäufern durften im Sinne der bisherigen allgemeinen Rechtsauffassung auch andere (Dienst-) Leistungen geringen Umfangs hierunter zu verstehen sein.

Die bisherige Rechtsprechung hat die gewährten Erleichterungen nie ausdrücklich auf Warenlieferungen beschränkt. Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 12.7.2017[3] erneut betont, dass bei Klein-Dienstleistern dieselbe Interessenlage bestehe wie bei kleinen Warenlieferanten. Der Senat vertritt deshalb die grundsätzliche Auffassung, Erleichterungen seien stets unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit abzuleiten.

Das BMF bezieht genau zu dieser Frage Stellung[4]. Demnach sind die Zumutbarkeitsüberlegungen grundsätzlich auch auf Dienstleistungen übertragbar. Dabei muss es sich um Dienstleistungen handeln, die an eine Vielzahl nicht bekannter Personen gegen Barzahlung erbracht werden. Das gilt aber nur dann, wenn kein elektronisches Aufzeichnungssystem eingesetzt wird.

Ein Friseurbetrieb mit hohem Anteil an Laufkundschaft und Verwendung einer offenen Ladenkasse würde diese Voraussetzungen insoweit noch erfüllen. Um die Erleichterungen in Anspruch nehmen zu können muss – lt. Finanzverwaltung[5] – der Geschäftsbetrieb zusätzlich noch auf eine Vielzahl von Kunden ausgerichtet sein und sich der Kundenkontakt im Wesentlichen auf die Bestellung und den kurzen Bezahlvorgang beschränken. Damit dürften insbesondere Betriebe im Gastronomiebereich gemeint sein, die anstelle einer Registrierkasse eine offene Ladenkasse verwenden.

Diese Regelung grenzt den Friseurbetrieb klar von einem Unternehmen des Gastronomiegewerbes ab. Einzelaufzeichnungen sind hingegen – lt. Finanzverwaltung[6] – zu führen, wenn der Kundenkontakt in etwa der Dauer der Dienstleistung entspricht und der Kunde auf die Ausübung der Dienstleistung üblicherweise individuell Einfluss nehmen kann. Dies ist sowohl bei den Friseurbetrieben als auch bei Tattoo-, Piercing- und Kosmetikstudios unstrittig der Fall. Dabei spielt es nach Auffassung der Finanzverwaltung keine Rolle, ob der Kundenkontakt mit dem Dienstleister selbst oder einem seiner Angestellten stattfindet.

Fazit: Friseurbetriebe müssen ihre erbrachten Dienstleistungen einzeln aufzeichnen!

Wo Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe, wie Schuhmachereien, Textilreinigungen u. a. rechtlich anzusiedeln sind, wird die künftige Rechtsprechung unter Beachtung des Einzelfalles entscheiden.

Entscheidend dabei ist, ob

  • Kundendaten zur Auftragserstellung bzw. für die Abholung erforderlich sind und
  • erfasst werden oder nicht (Beispiel: Klassische Schuhmacherei oder Reparatur-Sofortdienst).
[2] Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen (GSchuMadiG) v. 22.12.2016.
[4] Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 146 AO, Tz. 2.2.6.
[5] Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 146 AO, Tz. 2.2.6.
[6] Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 146 AO, Tz. 2.2.6.

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