3.1 Müssen Friseurbetriebe alle Geschäftsvorfälle einzeln aufzeichnen?

Ob und in welchem Umfang Friseurbetriebe und vergleichbare Dienstleistungsbranchen ihre Geschäftsvorfälle einzeln aufzeichnen müssen, war in der Vergangenheit ein viel diskutiertes und umstrittenes Thema. Schon vor der Verabschiedung des "Kassengesetzes 2016"[1] wurden für viele Unternehmen in der Bargeldbranche Ausnahmeregelungen von dieser Verpflichtung aus Zumutbarkeitsgründen zugelassen. Dabei stellte sich die berechtigte Frage, ob neben Einzelhändlern, denen es nicht zugemutet werden kann, alle Geschäftsvorfälle einzeln festzuhalten, auch kleinere Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe von der Verpflichtung zur Einzelaufzeichnung ausgenommen sind. Die Ausnahmeregelungen waren ursprünglich für Einzelhandelsunternehmen vorgesehen, die ihre Waren in bar an eine Vielzahl nicht namentlich bekannter Personen verkauften und keine elektronische Registrierkasse eingesetzt haben.

Allein der Umstand der sofortigen Bezahlung rechtfertigt keine Ausnahme vom Grundsatz der Einzelaufzeichnung[2]

[1] Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen (GSchuMadiG) v. 22.12.2016.

3.2 Handelsgesetzbuch und Abgabenordnung

Nach § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB ist grundsätzlich jeder Kaufmann verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den GoB ersichtlich zu machen.

Nach § 140 AO gelten die handelsrechtlichen Buchführungspflichten auch für die Besteuerung. Danach müssen sich die Geschäftsvorfälle in ihrer Entstehung und Abwicklung progressiv und retrograd verfolgen lassen. Die Eintragungen in den Büchern und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen müssen gem. §§ 140  ff. AO einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden.

Zweck der Buchführung ist es u. a., zu jedem Zeitpunkt einen zuverlässigen Einblick in den Ablauf aller Geschäfte zu geben. Dazu muss es zu einem späteren Zeitpunkt einem Buchführungssachverständigen in angemessener Zeit möglich sein, sich einen Überblick über den Ablauf und Inhalt aller Geschäfte in der Vergangenheit zu verschaffen. Dies setzt voraus, dass jedes Handelsgeschäft so erfasst wird, dass es einzeln überprüfbar ist. Hierzu ist nicht nur die Aufzeichnung des Geldbetrags, sondern auch der Inhalt des Geschäfts und der Name des Vertragspartners erforderlich.

Mit Änderung der Abgabenordnung durch das "Kassengesetz 2016"[1] wurde auch die Einzelaufzeichnungspflicht neu geregelt. Gem. § 146 Abs. 1 Satz 1 AO sind alle Buchungen und sonstigen Aufzeichnungen einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen sind täglich festzuhalten. Das Wort

"einzeln" wurde dem bisherigen Text neu hinzugefügt.

Folgende Inhalte müssen die Einzelaufzeichnungen beinhalten:

  • Eindeutig bezeichneter Artikel
  • (Endgültiger) Einzelverkaufspreis
  • Umsatzsteuersatz und -betrag
  • Ggf. vereinbarte Preisminderungen
  • Zahlungsart
  • Datum und Zeitpunkt des Umsatzes
  • Verkaufte Menge/Anzahl
[1] Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen (GSchuMadiG) v. 22.12.2016.

3.3 Sind Einzelaufzeichnungen bei Friseurbetrieben zumutbar?

Im neu eingefügten Satz 3 in § 146 Abs. 1 AO wird die Pflicht zur Einzelaufzeichnung aus Zumutbarkeitsgründen eingeschränkt, wenn Waren bar an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen verkauft werden. Erstmals wurde die Zumutbarkeitsregel, die bis dahin aus einem historischen BFH-Urteil von 1966[1] abgeleitet wurde, gesetzlich verankert.

Auf die Formulierung, nach der es sich dabei – entsprechend der bisherigen ständigen Rechtsprechung – um Waren von geringem Wert handeln muss, wurde verzichtet.

Voraussetzung ist jedoch, dass die Identität der Käufer regelmäßig für die Geschäftsvorfälle nicht von Bedeutung ist. Diese Änderung ist mit Veröffentlichung des "Kassengesetzes 2016"[2] am 29.12.2016 in Kraft getreten.

Der Begriff "Waren" ist großzügig auszulegen. Analog zu den Warenverkäufern durften im Sinne der bisherigen allgemeinen Rechtsauffassung auch andere (Dienst-) Leistungen geringen Umfangs hierunter zu verstehen sein.

Die bisherige Rechtsprechung hat die gewährten Erleichterungen nie ausdrücklich auf Warenlieferungen beschränkt. Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 12.7.2017[3] erneut betont, dass bei Klein-Dienstleistern dieselbe Interessenlage bestehe wie bei kleinen Warenlieferanten. Der Senat vertritt deshalb die grundsätzliche Auffassung, Erleichterungen seien stets unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit abzuleiten.

Das BMF bezieht genau zu dieser Frage Stellung[4]. Demnach sind die Zumutbarkeitsüberlegungen grundsätzlich auch auf Dienstleistungen übertragbar. Dabei muss es sich um Dienstleistungen handeln, die an eine Vielzahl nicht bekannter Personen gegen Barzahlung erbracht werden. Das gilt aber nur dann, wenn kein elektronisches Aufzeichnungssystem eingesetzt wird.

Ein Friseurbetrieb mit hohem Anteil an Laufkundschaft und Verwendung einer offenen Ladenkasse würde diese Voraussetzungen insoweit noch erfüllen. Um die Erleichterungen in Anspruch nehmen zu können muss – lt. Finanzverwaltung[5] – der Geschäftsbetrieb zusätzlic...

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