Alle Versicherungsleistungen, die vom Versicherungsunternehmen aufgrund des Versicherungsvertrags zu erbringen sind, ohne dass sich das versicherte Risiko realisiert hat (Risikoleistung) oder ohne dass der Versicherungsvertrag ganz oder teilweise vorzeitig beendet wurde (Rückkauf), sind Erlebensfallleistungen. In der Regel tritt der Erlebensfall bei Ablauf der vereinbarten Versicherungslaufzeit ein.[1]

4.1.1 Anspruch auf Darlehensgewährung

Enthält der Versicherungsvertrag einen Anspruch auf Gewährung eines Darlehens des Versicherungsunternehmens an den Versicherungsnehmer, ohne dass sich der Versicherer eine freie Entscheidung über das "ob" der Darlehensgewährung vorbehält, ist generell von einer steuerpflichtigen Erlebensfall-Leistung auszugehen. In allen anderen Fällen, in denen ein Darlehensanspruch besteht, ist zu prüfen, ob ein nicht am Versicherungsvertrag beteiligter Dritter einen vergleichbaren Darlehensvertrag abschließen würde, wenn man unterstellt, dass dem Dritten die vertraglichen Ansprüche zur Sicherheit abgetreten werden.

Unter Zugrundelegung des Fremdvergleichsmaßstabs ist regelmäßig ebenfalls von einer steuerpflichtigen Erlebensfall-Leistung auszugehen, wenn insbesondere

  • der Versicherungsschutz, d. h. die Leistung bei Eintritt des versicherten Risikos, aufgrund der Auszahlung abgesenkt wird, oder
  • keine oder offensichtlich marktunüblich niedrige Darlehenszinsen zu entrichten sind, oder
  • die Höhe der Darlehenszinsen und/oder die Höhe des zurückzuzahlenden Kapitals an die Höhe der Verzinsung oder Wertentwicklung des Versicherungsvertrags gekoppelt sind.[1]

Bei Endfälligkeit des Versicherungsvertrags sind bereits versteuerte außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen oder Unterschiedsbeträge sowie an den Versicherer gezahlte Zinsen bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Ertrags abzuziehen. Ein zusätzlicher Abzug derartiger Zinsen als Werbungskosten oder Betriebsausgaben bei einer anderen Einkunftsart ist ausgeschlossen.[2]

4.1.2 Mehrere Erlebensfälle

In der Regel tritt der Erlebensfall bei Ablauf der vereinbarten Versicherungslaufzeit ein. Es können im Versicherungsvertrag allerdings mehrere konkrete Teilauszahlungstermine oder zeitlich und der Höhe nach flexible Abrufmöglichkeiten bereits in der Ansparphase bzw. Aufschubphase vereinbart sein, sodass es mehrere Erlebensfälle gibt.[1]

 
Praxis-Beispiel

Teilauszahlung

Bei einem Versicherungsvertrag mit 25-jähriger Laufzeit sind Teilauszahlungen nach 15 und nach 20 Jahren vorgesehen. Kommt es zu Teilauszahlungen zu den vereinbarten Zeitpunkten, liegen mehrere Erlebensfälle vor.[2] Wenn es sich allerdings nur um ein Wahlrecht des Begünstigten handelt, das nicht ausgeübt wird, liegt kein Erlebensfall vor.

Bei einer gestreckten Kapitalauszahlung (Teilauszahlungen oder wiederkehrende Bezüge, die keine Rentenzahlung darstellen) nach Ablauf der Versicherungslaufzeit liegt nur ein Erlebensfall zum Ablauftermin vor. Ein Zufluss ist jedoch erst mit Leistung des jeweiligen Teilbetrags gegeben. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass bei einer Kapitallebensversicherung mit Rentenwahlrecht für die Rentenzahlung optiert wird. In der Ausübung der Rentenoption liegt eine Verfügung über die auszahlbare Versicherungsleistung, die einen Zufluss begründet.[3]

 
Wichtig

Zuflusszeitpunkt

Lässt sich der Steuerpflichtige das Kapital nach Erreichen des Ablauftermins nicht auszahlen, sondern überlässt er es gegen Entgelt oder auch ohne Entgelt bis zur Entscheidung über die endgültige Verwendung dem Versicherungsunternehmen (sog. Parkdepot), liegt aufgrund der erlangten Verfügungsmacht bereits ein Zufluss vor.

Wird hingegen die Fälligkeit einer Versicherungsleistung auf Grund einer nachträglichen Vertragsänderung während der Versicherungslaufzeit (Verlängerung der Versicherungslaufzeit) hinausgeschoben, liegt dagegen zum ursprünglichen Fälligkeitszeitpunkt noch kein Zufluss vor. Es ist allerdings in diesem Fall im Hinblick auf § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG zu beachten, dass eine nachträgliche Laufzeitverlängerung zu einem neuen Vertrag führen kann.[4]

Bei einer Lebensversicherung gegen Einmalzahlung ist ein vor dem Laufzeitende erklärter Verzicht des Versicherungsnehmers auf vertraglich vereinbarte Teilauszahlungsansprüche allenfalls eine Stundung, nicht aber eine Schuldumschaffung (Novation) der Ansprüche, sodass kein Zufluss von Einnahmen in Höhe dieser Ansprüche[5] gegeben ist.[6]

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