Rz. 89

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Kapitalflussrechnung als sog. dritte Jahresrechnung wichtige Informationen für Management, Shareholder und weitere Stakeholder bereithält. Im Einzelnen werden für den Betrachtungszeitraum insbesondere erkennbar:

  • die selbst erwirtschafteten Finanzmittel (Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit),
  • die zur Schuldentilgung und Ausschüttung verfügbaren Mittel,
  • langfristige Investitions- und Finanzierungsvorgänge sowie
  • Höhe und Ursachen der Liquiditätsveränderung.[1]
 

Rz. 90

Daneben vermittelt die Kapitalflussrechnung z. B. Informationen über die Insolvenzanfälligkeit des Unternehmens im Rahmen von Kreditwürdigkeitsprüfungen oder mögliche Divergenzen zwischen dem ausgewiesenen Jahresergebnis und den zugehörigen Zahlungsströmen.[2] So kann die Kapitalflussrechnung als liquiditätsorientierte Ist-Erfolgsrechnung interpretiert werden und damit als Gegenstück zu einer durch Abgrenzungsaspekte beeinflussten Gewinn- und Verlustrechnung fungieren, was die Überwachung der Unternehmensentwicklung verbessert. Gleichwohl stellt der Cashflow keinen besseren Gewinn dar, da betriebswirtschaftlich sinnvolle Buchungen, wie Abschreibungen und Rückstellungsdotierungen, eliminiert werden. Zudem dürften die Ein- und Auszahlungen insbesondere bei kurzfristigen Betrachtungen großen Schwankungen unterliegen, da der Cashflow z. B. mit Entscheidungen über den Kauf von Lagerbeständen oder die Tilgung von Lieferantenverbindlichkeiten beeinflusst werden kann. Damit ist der Cashflow auch keinesfalls als bessere Größe für eine erfolgsabhängige Vergütung im Vergleich zu Gewinngrößen zu sehen,[3] da letztlich die verursachten Entwertungen des Vermögens bzw. die ausgelösten Verpflichtungen sowie eine Glättung der Schwankungen mit in die Betrachtung einbezogen werden müssen.

 

Rz. 91

Die Einschränkungen der Aussagekraft des Cashflows bestehen jedoch nur dann, wenn der Wert der Finanzmittelgenerierung gewinnähnlich interpretiert wird.[4] Der Anspruch des Cashflows liegt aber gerade nicht darin, den Gewinn zu ersetzen, sondern ihn um die Liquiditätskomponente zu ergänzen. Erst die duale erfolgs- und liquiditätsorientierte Betrachtung eines Sachverhaltes ermöglicht eine sichere Einschätzung und kann als ausreichende Grundlage für die Unternehmenssteuerung und -überwachung fungieren. Daher ist eine parallele Betrachtung von Erfolgs- und Liquiditätswirkungen nötig.

 

Rz. 92

Werden längerfristigere Betrachtungen vorgenommen, ist eine Annäherung von Gewinn und (Free) Cashflow zu konstatieren, da die erfolgsrechnerischen Abgrenzungsbuchungen an Relevanz verlieren. Eine vergleichende Betrachtung ist somit in Anlehnung an dynamische investitionstheoretische Verfahren im Rahmen der Unternehmensbewertung über mehrere Perioden möglich. Diese Überlegung führt aber zur Abbildung des Unternehmens zum vollen Fair Value, was theoretisch zwar höchst reizvoll ist, aber aufgrund der ungelösten Probleme der Einschätzung zukünftiger Werte sowohl für die externe Rechnungslegung als auch für die interne Steuerung nur ergänzend bzw. fallweise sinnvoll durchführbar erscheint.

 

Rz. 93

Bezüglich der konkreten Ausgestaltung ist problematisch, dass die betriebswirtschaftlich weniger aussagekräftige indirekte Darstellung des Cashflows aus laufender Geschäftstätigkeit in der Praxis weit verbreitet ist.[5] Ein höherer Erkenntniswert lässt sich durch die Darstellung des Cashflows aus Geschäftstätigkeit nach direkter Methode mit der an die Erfolgsspaltungskonzeption angelehnten Cashflow-Spaltung in ordentlichen betrieblichen Cashflow, ordentlichen finanziellen Cashflow, unregelmäßigen Cashflow und außerordentlichen Cashflow erzielen.[6]

 

Rz. 94

Um eine umfassende Integration von Chancen und Risiken bei der Betrachtung der Kapitalflussrechnung zu erreichen, sind Zusatzangaben nötig, die potenzielle Liquiditätszu- und Liquiditätsabflüsse aufzeigen. Dies führt zu einer nach dem Kriterium der Liquidierbarkeit gestaffelten Aufstellung der Vermögensgegenstände bzw. zu der nach Fristigkeit sortierten Schuldenaufstellung, was in enger Verbindung mit beständebezogenen Finanzanalysen zu erfolgen hat. Daneben sind weitere, auch nicht in den Vermögensgegenständen und Rückstellungen enthaltene Chancen und Risiken hinsichtlich ihrer potenziellen Finanzbewegungswirkung aufzuzeigen. Durch die dafür nötige zeitliche Fortschreibung bekommt die Kapitalflussrechnung neben dem retrospektiven einen prospektiven Akzent, der durch die Generierung von kompletten Plan-Kapitalflussrechnungen noch verstärkt werden kann.

 

Rz. 95

Es ist festzuhalten, dass die Relevanz des Jahres- bzw. Konzernabschlusses für Management, Share- und Stakeholder durch eine Kapitalflussrechnung nachhaltig erhöht wird, da die Darstellung der Finanz-, aber auch der Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens durch Informationen über die Cashflows verbessert wird. Für einige Analysten sind die Informationen der Kapitalflussrechnung sogar die relevantesten Daten des gesamten Jahresabschlusses.

[1] V...

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