OFD Münster, 7.11.2007, S 2408 a - 1 - St 22 - 31

Bei einer Erörterung der Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder wurde vorgetragen, dass vermehrt Fälle aufgetreten sind, in denen eine Nacherhebung von Kapitalertragsteuer bzw. Zinsabschlag (z.B. aufgrund einer Betriebsprüfung) beim Schuldner der Kapitalerträge veranlasst wurde, der Gläubiger der Kapitalerträge diese gleichwohl nachweislich versteuert hatte. Die Nacherhebung der Kapitalertragsteuer und die daraufhin vom Schuldner der Kapitalerträge ausgestellte Bescheinigung nach § 45a EStG führen beim Gläubiger der Erträge zu einer nachträglichen Anrechnung der erhobenen Steuern. Hieraus kann der Gläubiger der Kapitalerträge einen u.U. beträchtlichen (ungerechtfertigten) Zinsvorteil aufgrund der Vollverzinsung nach § 233a AO erlangen. Zur Vermeidung dieses Vorteils bitte ich wie nachfolgend dargestellt vorzugehen.

Bezüglich der Abstandnahme von der Nacherhebung von Kapitalertragsteuer bei verdeckten Gewinnausschüttungen bzw. Zinsabschlag bei Zinszahlungen an Empfänger, bei denen die Besteuerung der Erträge im Inland gesichert ist, gilt nach dem Beschluss der Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder bis zur Einführung der Abgeltungssteuer (1.1.2009) Folgendes:

Werden im Veranlagungsverfahren oder anlässlich einer Außenprüfung im Nachhinein Gewinnausschüttungen oder Zinszahlungen festgestellt, für die im Auszahlungszeitpunkt keine Kapitalertragsteuer bzw. Zinsabschlagsteuer einbehalten und abgeführt wurde, so wird von der Nacherhebung der Kapitalertragsteuer bzw. Zinsabschlagsteuer Abstand genommen, wenn deren Versteuerung im Inland zweifelsfrei feststeht. Dies entspricht seit der Entscheidung des BFH vom 3.7.1968 (BStBl 1969 II S. 4) unveränderter höchstrichterlicher Rechtsprechung, die den Vorrang des Veranlagungsverfahrens vor dem Abzugsverfahren begründet.

Ist die Heranziehung des Gläubigers der Kapitalerträge zur Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer nach Bestätigung des für den Gläubiger zuständigen Finanzamtes bereits erfolgt, so muss sich die Abstandnahme vom Abzugsverfahren auch auf die Nichtberücksichtigung einer ggf. freiwillig durch den Abzugsverpflichteten abgegebenen Kapitalertragsteueranmeldung und einer entsprechend ausgestellten Steuerbescheinigung nach § 45a EStG erstrecken.

Die Vorschriften zum Steuerabzug von Kapitalerträgen sollen zur zeitnahen Steuererhebung beitragen, vor allem aber Kontroll- und Sicherheitsfunktionen im Hinblick auf die Erhebung der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer beim Gläubiger der Kapitalerträge erfüllen. Ist die Sicherung der Versteuerung der Einkünfte im Wege der Veranlagung jedoch bereits gewährleistet, besteht für die Durchführung des Steuerabzugs kein Raum mehr.

Mangels Durchführung des Steuerabzugs darf in diesen Fällen auch keine nachträgliche Steuerbescheinigung nach § 45a EStG erstellt werden. Geschieht dies dennoch, so ist die vom Gläubiger der Kapitalerträge begehrte Anrechnung mit folgender Begründung zu versagen:

§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG gewährt nur die Anrechnung der … durch Steuerabzug erhobenen Einkommensteuer in Verbindung mit der Vorlage einer Steuerbescheinigung, die nach § 45a Abs. 2 Nr. 4 EStG Angaben über den Betrag der nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG anrechenbaren Kapitalertragsteuer und nach § 45a Abs. 2 Nr. 5 EStG Angaben über das FA, an das die Steuer abgeführt worden ist, enthält. Erfolgte tatsächlich aber – nach Maßgabe höchstrichterlicher Rechtsprechung – wegen Vorrang des Veranlagungsverfahrens keine Erhebung durch Steuerabzug, kann keine Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG gegeben sein, selbst dann nicht, wenn eine dies bestätigende Steuerbescheinigung vorgelegt wird. Die Steuerbescheinigung wäre dahingehend falsch als sie von anrechenbarer Steuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG ausgeht und die Erhebung bzw. Abführung an ein FA bescheinigt, die nicht stattgefunden haben.

Das gilt insbesondere auch dann, wenn der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner bzw. Gläubiger der Kapitalerträge von der Kapitalgesellschaft verlangt, dass sie nachträglich Kapitalertragsteuer bzw. Zinsabschlagsteuer erhebt. Der Anteilseigner kann weder gegenüber der Kapitalgesellschaft den Anspruch auf Anmeldung der Kapitalertragsteuer bzw. Zinsabschlagsteuer geltend machen noch das FA dazu anhalten gegenüber dem Abzugsverpflichteten einen Haftungsbescheid zu erlassen. Die Vorschriften zum Steuerabzug von Kapitalerträgen dienen nicht zum Schutz des Gläubigers der Erträge. Sie enthalten vielmehr Regelungen für eine Quellenbesteuerung, die zur Beschleunigung der Steuererhebung beitragen sollen, vor allem aber Kontroll- und Sicherungsfunktion im Hinblick auf die Erhebung der Einkommen- und Körperschaftsteuer des Kapitalertragsteuergläubigers haben (vgl. BFH-Urteil vom 15.12.2004, BFH/NV 2005 S. 1073).

Gemäß § 45a Abs. 6 EStG hat der Aussteller eine den Bestimmungen des § 45a Abs. 24 EStG nicht entsprechende Bescheinigung zurückzufordern. In den Fällen, in denen eine Kapitalertragst...

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