9.1 Erfassung der Einkünfte

Nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG ist die Kapitalertragsteuer auf die Einkommensteuer anzurechnen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Einkünfte bei der Veranlagung erfasst wurden. Wurde die Erstattung der Kapitalertragsteuer beantragt[1], kommt eine Anrechnung nicht in Betracht.

Diese Problematik stellte sich häufig bei ausländischen thesaurierenden Investmentfonds für die ausschüttungsgleichen Erträge bis zum Jahr 2017. Für laufende Erträge ab 2018 besteht diese Problematik nicht mehr fort. Ausschüttungsgleiche Erträge waren nach der Rechtslage bis 2017 jährlich zu versteuern[2], wobei erst bei der Rückgabe oder Veräußerung ein Kapitalertragsteuerabzug auf die ausschüttungsgleichen Erträge der Vergangenheit (i. d. R. der Vorjahre) vorgenommen wurde. Die Kapitalertragsteuer konnte im Rückgabe-/Veräußerungsjahr nur dann angerechnet werden, wenn die Einkünfte in dem jeweiligen Jahr steuerlich erfasst wurden. Diese Problematik besteht auch nach der Reform der Investmentbesteuerung zum 1.1.2018 weiterhin.[3]

Eine Steueranrechnung ist nur aufgrund der Steuerbescheinigung möglich. Der Steuerausweis in einem Kontoauszug, einem Sparbuch oder einer "einfachen" Bestätigung über gezahlte Steuern reicht zur Anrechnung nicht aus.

Während bis zum VZ 2016 die Steuerbescheinigung generell beim Finanzamt vorgelegt werden musste, ist es für Fälle der Abgeltungsteuer ab 2017 ausreichend, wenn die Bescheinigung auf Verlangen des Finanzamts vorgelegt wird.[4] Demnach muss die Bescheinigung dem Steuerpflichtigen zwar vorliegen, er muss sie aber nur auf Anforderung einreichen (Vorhaltepflicht).

9.2 Einschränkung der Anrechnung

Seit 2016 ist die Anrechnung von inländischer Kapitalertragsteuer auf Dividenden und Genussrechtserträge ­inländischer börsennotierter Aktiengesellschaften eingeschränkt. Die volle Anrechnung/Erstattung der Kapitalertragsteuer auf diese Erträge erfolgt nur noch, wenn der Aktionär/Inhaber

  • während der Mindesthaltedauer (= 45 Tage um den Zahlungstag) ununterbrochen wirtschaftlicher Eigentümer ist,
  • in dieser Zeit ununterbrochen das Mindestwertänderungsrisiko (= 70 %) trägt und
  • nicht verpflichtet ist, die Kapitalerträge ganz oder überwiegend, unmittelbar oder mittelbar anderen Personen zu vergüten.

Fehlen diese Voraussetzungen, so sind 3/5 der Kapitalertragsteuer nicht anzurechnen.

Demgegenüber bleibt es bei der vollen Anrechnung, wenn die betreffenden Kapitalerträge nicht mehr als 20.000 EUR betragen bzw. der Steuerpflichtige seit mindestens einem Jahr wirtschaftlicher Eigentümer der inländischen Aktien/Genussscheine ist.[2]

Durch § 36a EStG sollen sog. Cum-cum-Geschäfte vermieden werden. Bei diesen wurden die Wertpapiere über den Zahlungstag vom nicht (voll) anrechnungsberechtigten Inhaber auf eine anrechnungsberechtigte Person übertragen, wodurch die Steuerbelastung weitestgehend vermieden werden konnte.

 
Hinweis

Einzelfragen zu § 36a EStG

Anwendungsfragen zu § 36a EStG hat das BMF beantwortet.[3] Privatanleger sind regelmäßig nicht von der Einschränkung betroffen. Nach der Rz. 131 des Schreibens ist § 36a EStG bei diesen nur in Ausnahmefällen anwendbar.

9.3 Nachträgliche Vorlage der Steuerbescheinigung

Werden die Kapitalerträge unter Vorlage der Steuerbescheinigung erst nach Ergehen des Einkommensteuerbescheids erklärt, kommt nach Verwaltungsauffassung[1] wegen "groben Verschuldens" keine Änderung nach § 173 AO in Betracht. Dies wurde mittlerweile auch vom BFH bestätigt.[2]

In die Berechnung, ob § 173 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AO anzuwenden ist, sind nicht nur inländische, sondern auch ausländische Steuern einzubeziehen.[3]

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