Rz. 117

Zum erstgenannten Themenkomplex zählen dabei insbesondere:

  • die Abgrenzung von Unternehmenszusammenschlüssen,
  • Ansatz und Bewertung von identifizierbarem Nettovermögen sowie
  • im Falle der Anwendung der Full-Goodwill-Methode zur Einbeziehung von Tochterunternehmen mit Anteilen nicht beherrschender Gesellschafter die Schätzung des beizulegenden Zeitwerts für die Anteile nicht beherrschender Gesellschafter.
 

Rz. 118

(1) Abgrenzung von Unternehmenszusammenschlüssen

Ermessensspielräume ergeben sich bereits bei der Abgrenzung des Vorliegens von Unternehmenszusammenschlüssen.[1] Dies betrifft sowohl die Feststellung, ob überhaupt ein Geschäftsbetrieb erworben wurde, als auch die scharfe Abgrenzung des Geschäftsbetriebs bzw. Unternehmenserwerbs von anderen – hiervon unabhängig zu behandelnden – laufenden Geschäftstransaktionen. IFRS 3. Appendix A definiert einen Unternehmenszusammenschluss als den Erwerb eines Geschäftsbetriebs bzw. einer integrierten Gruppe von Tätigkeiten und Vermögenswerten, die mit dem Ziel der Erwirtschaftung von Erträgen geführt und geleitet werden können, Güter oder Dienstleistungen für Kunden zu erzeugen, Kapitalerträge (wie Dividenden oder Zinsen) oder sonstige Erträge aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit zu erwirtschaften. Hinreichend für das Vorliegen eines solchen Geschäftsbetriebs ist somit bereits, dass dieser Geschäftsbetrieb nur die Fähigkeit besitzen muss, Unternehmensleistungen hervorzubringen;[2] nicht erforderlich ist, dass der Geschäftsbetrieb bereits Unternehmensleistungen erzeugt. Dementsprechend ist für die Existenz eines Geschäftsbetriebs bereits hinreichend, wenn Inputfaktoren, z. B. langlebige Vermögenswerte, Know-how oder Zugangsmöglichkeiten zu den Beschaffungsmärkten für Materialien und Personal, übertragen werden sowie Prozesse vorhanden sind, mittels derer eine Transformation von Inputfaktoren zu Unternehmensleistungen (Output) erfolgen kann. Obgleich im Regelfall diese Geschäftsprozesse schriftlich dokumentiert sind, kann auch eine entsprechend eingearbeitete und geschulte Belegschaft, welche mit den anderen Inputfaktoren auf den Erwerber übergeht, bereits einen unter die Bilanzierung des IFRS 3 fallenden Geschäftsbetrieb begründen.[3] Damit existiert insbesondere bei der Übertragung größerer Sachgesamtheiten, die keine eigenständige rechtlich abgegrenzte Gesellschaft bilden, ein erhebliches praktisches Abgrenzungsproblem zwischen der Übertragung von reinen Sachgesamtheiten und derjenigen eines Geschäftsbetriebs. Während bei Erstgenannten der Gesamtkaufpreis, einschließlich gegebenenfalls anfallender Anschaffungsnebenkosten, auf die erworbenen Vermögenswerte und Schulden nach Maßgabe deren relativer beizulegender Zeitwerte aufzuteilen ist und die Bilanzierung eines Geschäfts- oder Firmenwerts zwingend unterbleibt[4], sind bei Unternehmenserwerben die Regeln des IFRS 3 anzuwenden, welche unter anderem im Regelfall die aufwandswirksame Behandlung von Anschaffungsnebenkosten des Erwerbs[5] sowie die Bilanzierung eines Geschäfts- oder Firmenwerts bzw. eines Ertrags aus der Auflösung eines negativen Unterschiedsbetrags beinhalten.[6]

 

Rz. 119

IFRS 3.51 grenzt eine nicht zum Unternehmenszusammenschluss gehörende Transaktion dahingehend ab, dass diese vorliegt, wenn sie durch oder für den Erwerber eingegangen wurde, und zwar primär zu dessen oder zum Vorteil des zusammengeschlossenen Unternehmens (und nicht zum Vorteil des erworbenen Unternehmens und dessen früherer Anteilseigner). Der IASB konzediert selbst, dass dieses Prinzip hinsichtlich des Präzisionsgrads verbesserungsfähig ist.[7] Auch die in IFRS 3.52 Satz 3 f. aufgeführten Beispiele für separate Transaktionen sind hinsichtlich ihrer Abgrenzung und Ausgestaltung manipulationsfähig und lassen die Generierung unterschiedlicher bilanzieller Ergebnisse zu. So sollen insbesondere nach IFRS 3.52 Satz 4 c) Transaktionen, die das erworbene Unternehmen oder dessen frühere Besitzer für die Übernahme akquisitionsbezogener Kosten des Erwerbers entschädigen sollen, als separate Transaktionen zu bilanzieren sein. Hier ist aus bilanzpolitischer Sicht ein trade-off zwischen dem Kaufpreis für das erworbene Unternehmen sowie der Erstattung von akquisitionsbezogenen Kosten vorstellbar, die zu unterschiedlichen bilanziellen Ergebnissen führen. Strebt der Erwerber in der Periode des Erwerbs ein – seinen Aktionären vermittelbares – möglichst niedriges Ergebnis und in der Zukunft entsprechend höhere Erträge an, so bietet sich aus Sicht des Erwerbers eine vergleichsweise großzügige Abgrenzung und "Erstattung von Kosten" zugunsten eines niedrigeren Kaufpreises für den Unternehmenserwerb an. Falls dagegen die Periode des Unternehmenserwerbs möglichst von Belastungen aus dem Unternehmenserwerb freigehalten werden soll, kann mit dem Verkäufer bei Verzicht auf Kostenerstattung auch ein höherer Kaufpreis für das erworbene Unternehmen vereinbart werden. Ähnliche Ermessensspielräume können sich im Zusammenhang mit Transaktionen ergeben, bei denen di...

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