Rz. 1604

Die Regelungen gemäß §§ 300 bis 303 AktG sollen die bilanzmäßige Substanz der AG erhalten und stärken, um zugunsten der AG, ihrer Gläubiger und der Aktionäre ihren Fortbestand zu sichern und das haftende Kapital zu erhalten.[1] Sie sind auf die AG zugeschnitten und daher nur begrenzt auf die GmbH zu übertragen: § 300 AktG regelt die Auffüllung der gesetzlichen Rücklage und stellt damit eine Sonderregelung zu § 150 Abs. 2 AktG dar. Eine entsprechende Anwendung des § 300 AktG auf die GmbH kommt mangels des Erfordernisses einer gesetzlichen Rücklage bei der GmbH nicht in Betracht und § 301 AktG kann wegen seiner Bezugnahme auf die gesetzliche Rücklage allenfalls seinem Rechtsgedanken nach angewendet werden.[2] §§ 302 und 303 AktG sind demgegenüber nach allgemeiner Meinung wie folgt analog auf die GmbH anwendbar.[3]

 

Rz. 1605

Gem. § 302 Abs. 1 AktG analog hat das herrschende Unternehmen jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag der abhängigen GmbH auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, dass den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind (Verlustausgleichspflicht). Nach h. M. wird der Anspruch bereits am Bilanzstichtag fällig.[4]

 

Rz. 1606

Das herrschende Unternehmen darf einen eigenen Anspruch gegen den Verlustausgleichsanspruch der abhängigen Gesellschaft nur gem. §§ 387ff. BGB aufrechnen, soweit die zur Aufrechnung gestellte Forderung werthaltig ist, weil es sich ansonsten zum Nachteil der anderen Gläubiger volle Befriedigung für eine nicht (voll) werthaltige Forderung verschaffen könnte.[5] Die Beweislast für die Werthaltigkeit trägt das herrschende Unternehmen.[6]

 

Rz. 1607

Umstritten ist, ob die Minderheitsgesellschafter der GmbH den Anspruch anstelle der GmbH und somit ohne einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss im Wege der Prozessstandschaft analog § 309 Abs. 4 Satz 1 AktG geltend machen dürfen.[7] Die Gläubiger sind dazu nach überwiegender Auffassung jedenfalls nicht berechtigt, sondern können nur den Anspruch der Untergesellschaft auf Verlustausgleich pfänden und sich überweisen lassen.[8]

 

Rz. 1608

Gemäß § 303 Abs. 1 AktG analog haben die Gläubiger der beherrschten Gesellschaft nach Beendigung des Beherrschungsvertrages einen Anspruch gegen die Obergesellschaft auf Sicherheitsleistung.[9] Nach Fortfall des Unternehmensvertrages kann die Regelung des § 302 AktG den Fortbestand der Gesellschaft nicht mehr sicherstellen, so dass die Ansprüche der Gläubiger beispielsweise gefährdet sind, wenn die beherrschte GmbH mit einer nicht ausreichenden Liquidität in die Unabhängigkeit entlassen wird.[10] Die Gläubiger müssen sich innerhalb von sechs Monaten bei der Obergesellschaft melden, nachdem die Eintragung der Beendigung des Unternehmensvertrages im Handelsregister bekannt gemacht wurde, und dabei insbesondere angeben, in welcher Höhe Sicherheit geleistet werden soll.[11]

[1] Koppensteiner, in KK-AktG, Vorb. § 300 Rn. 1.
[2] Liebscher, in MüKo-GmbHG, Anh. § 13 Rn. 852 f.
[3] Liebscher, in MüKo-GmbHG, Anh. § 13 Rn. 860 und 907 m. w. N.
[4] BGH, Urteil v. 11.10.1999, II ZR 120/98, BGHZ 142 S. 382, 385 ff.; Schubert, in Heidel, AktR, § 302 AktG Rn. 24.
[5] BGH, Urteil v. 10.7.2006, II ZR 238/04, NJW 2006 S. 3279 ff.; näher dazu Goette, DStR 2006, S. 2132, 2139 f.
[7] Koch, in Hüffer/Koch, AktG, § 302 Rn. 24 m. w. N.
[8] Schubert, in Heidel, AktR, § 302 AktG Rn. 26 m. w. N.;/Beurskens, in Baumbach/Hueck, KonzernR, Rn. 123.
[9] Es gelten die §§ 232ff. BGB; außerdem kann sich das herrschende Unternehmen für die Sicherheit nach § 303 Abs. 3 AktG verbürgen; Veil, in Spindler/Stilz, AktG, § 303 Rn. 20. Zur (analogen) Anwendung von § 303 Abs. 1 AktG im mehrstufigen Konzern vgl. Leinekugel/Winstel, AG 2012, S. 389, 394.
[10] Koppensteiner, in KK-AktG, § 303 Rn. 2.
[11] Koch, in Hüffer/Koch, AktG, § 303 Rn. 5.

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