Rz. 420

In den IAS/IFRS-Standards[1] werden Eigenkapital und Fremdkapital als Finanzierungsinstrumente bezeichnet. Ein Eigenkapitalinstrument muss nachfolgende Bedingungen a. und b. erfüllen (IAS/IFRS 32.16):

Das Finanzinstrument beinhaltet keine vertragliche Verpflichtung,

(i) flüssige Mittel oder einen anderen finanziellen Vermögenswert an ein anderes Unternehmen abzugeben; oder

(ii) finanzielle Vermögenswerte oder finanzielle Verbindlichkeiten mit einem anderen Unternehmen zu potenziell nachteiligen Bedingungen für den Emittenten auszutauschen.

Kann das Finanzinstrument in den Eigenkapitalinstrumenten des Emittenten erfüllt werden, handelt es sich um:

(i) ein nicht derivatives Finanzinstrument, das keine vertragliche Verpflichtung seitens des Emittenten beinhaltet, eine variable Anzahl eigener Eigenkapitalinstrumente abzugeben; oder

(ii) ein Derivat, das vom Emittenten nur durch den Austausch eines festen Betrags an flüssigen Mitteln oder anderen finanziellen Vermögenswerten gegen eine feste Anzahl eigener Eigenkapitalinstrumente erfüllt wird. In diesem Sinne beinhalten die Eigenkapitalinstrumente eines Emittenten keine Instrumente, die selbst Verträge über den künftigen Empfang oder die künftige Abgabe von Eigenkapitalinstrumenten des Emittenten darstellen.

Ergänzend zur Abgrenzung Eigenkapital zu Fremdkapital besagt IAS/IFRS 32.16 (a.), dass ein Eigenkapitalinstrument nur dann gegeben ist, wenn keine vertragliche Verpflichtung des Emittenten bestehen darf zur Abgabe von flüssigen Mitteln oder anderen finanziellen Vermögenswerten. Das schließt nicht aus, dass der Inhaber eines Eigenkapitalinstruments nicht berechtigt sein kann, (anteilige) Dividende oder andere Gewinnausschüttungen aus dem Eigenkapital zu empfangen.

 

Rz. 421

Die Klassifizierung als Eigenkapitalinstrument bestimmt sich gemäß IAS/IFRS 32.18 nicht allein nach seiner rechtlichen Gestaltung, sondern nach der wirtschaftlichen Substanz. Verfügt ein Unternehmen "nicht über ein uneingeschränktes Recht, sich bei der Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung der Abgabe von flüssigen Mitteln oder anderen finanziellen Vermögenswerten zu entziehen", liegt gemäß IAS/IFRS 32.19 eine finanzielle Verbindlichkeit vor. Eine finanzielle Verbindlichkeit liegt auch vor, wenn der Inhaber der Eigenkapitalinstrumente das Wahlrecht hat, das Finanzinstrument gegen flüssige Mittel oder andere finanzielle Vermögenswerte an den Emittenten zurückzugeben (sog. kündbares Finanzinstrument). IAS/IFRS 32.18 nennt Beispiele hierfür: Personengesellschaften, bestimmte Genossenschaften.[2]

Da nach deutschem Recht das Kündigungsrecht des Gesellschafters einer Personengesellschaft nicht abdingbar, den Gesellschaftern also ein jederzeit ausübbares Kündigungsrecht einzuräumen ist, hätten Kapitalanteile an Personenhandelsgesellschaften im IAS/IFRS-Abschluss keine Eigenkapitalfunktion;[3] sie wären vielmehr als finanzielle Verbindlichkeit zu qualifizieren (IAS/IFRS 18 b).

 

Rz. 422

Das IASB (International Accounting Standards Board) hat sich der Problematik des Ausweises von Eigenkapital von Personengesellschaften im IAS/IFRS-Abschluss angenommen. Nach der am 14.2.2008 geänderten Fassung des IAS/IFRS 32 wird 32.11 um das sog. puttable (puttable = kündbar) ergänzt, das als Ausnahmevorschrift Finanzinstrumente, die mit einem Kündigungsrecht ausgestattet sind, als Eigenkapital qualifiziert, wenn folgende fünf Kriterien erfüllt sind:[4]

  • Beteiligungsquotaler Anspruch in der Liquidation: Das Finanzinstrument räumt dem Inhaber einen seinem (Eigen-) Kapital entsprechenden, beteiligungsproportionalen Anteil am Reinvermögen des Unternehmens im Fall der Liquidation ein. IAS 32 definiert das Reinvermögen des Unternehmens im Fall der Liquidation als das Vermögen, das nach Begleichen aller anderen Vermögensansprüche verbleibt. Die Regelungen stellen allein auf die net assets ab, wonach Situationen, in denen bei Liquidation kein Überschuss der assets über die liabilities verbleibt, nicht zu berücksichtigen sind. Ein beteiligungsquotaler Anspruch ergibt sich im Liquidationsfall auf Grundlage des auf die einzelnen Gesellschaftsanteile heruntergebrochenen Residualvermögens.
  • Nachrangigste Klasse: Die Einordnung eines Finanzinstruments als Eigenkapitalinstrument setzt voraus, dass dieses der nachrangigsten Klasse der Finanzinstrumente zuzurechnen ist. Dazu darf es keinen bevorzugten Anspruch an den Vermögenswerten der Gesellschaft im Liquidationsfall haben. Diese Nachrangigkeit bei der Befriedigung der Residualvermögensansprüche muss dem Finanzinstrument immanent sein und darf nicht erst eine Umwandlung des Instruments zu einem derart nachrangigen Instrument bedingen. Aufgrund dieses Kriteriums schließt das gleichzeitige Vorhandensein von unkündbaren Eigenkapitalinstrumenten zwangsläufig den Ausweis kündbarer Finanzinstrumente als Eigenkapital aus.
  • Identische Ausstattungsmerkmale: Alle Finanzinstrumente, die der vorstehend definierten nachrangigsten Klasse zuzurechnen sind, müssen mit den gleichen eigenkapitalverbü...

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