Rz. 121

Handelsrechtlich sind Verstöße gegen die Inventurvorschriften (§§ 240 f. HGB) nicht mit besonderen Sanktionen belegt.[2] Im Ergebnis können Inventurmängel aber Ursache für Buchführungs- und Bilanzierungsverstöße sein und die dafür vorgesehenen Sanktionen, z. B. Strafen und Ordnungswidrigkeiten nach §§ 331, 334 HGB, auslösen.[3]

Zwar dürften Inventare nicht zu den gem. § 258 Abs. 1 HGB im Rechtsstreit ggf. vorzulegenden "Handelsbüchern" gehören[4], doch können schwerwiegende Inventur-/Inventarfehler in der Folge die Beweiskraft der Handelsbücher beeinträchtigen.

 

Rz. 122

Bei prüfungspflichtigen Unternehmen können Inventurmängel auch zu Feststellungen im Prüfungsbericht bezüglich der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung (§ 321 HGB), bei schwerwiegenden Fehlern auch zur Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks (§ 322 HGB) führen.[5]

 

Rz. 123

Das Insolvenzstrafrecht sieht bei Zahlungseinstellung, Mangels-Masse-Ablehnung oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kaufmanns die Möglichkeit einer Verhängung von Geld- oder Freiheitsstrafen vor, wenn das Inventar nicht in der vorgeschriebenen Zeit aufgestellt wurde.[6]

 

Rz. 124

Steuerrechtlich können Inventur-/Inventarmängel die Beweiskraft der Buchführung i. S. d. § 158 AO beeinträchtigen.[7] Die Folgen sind in R 5.2 Abs. 2 EStR beschrieben. Ist z. B. kein oder nur ein unvollständiges Inventar erstellt worden, so dass schwerwiegende materielle Mängel der Buchführung vorliegen, und ist insbesondere die Gewinnermittlung aus diesem Grunde unmöglich, ist die Buchführung zu verwerfen und das gesamte Ergebnis ist unter Verwendung der Buchführungsunterlagen zu schätzen, ansonsten sind Teilschätzungen im Bereich des beanstandeten Fehlers möglich.[8] Zu gleichen Folgen führen auch Verstöße gegen die 10-jährige Aufbewahrungspflicht von Inventaren und den für ihr Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen (§ 147 Abs. 1 Nr. 1AO). Die Schätzung bedeutet meist eine ungünstigere Festsetzung der Steuerbemessungsgrundlage für den Steuerpflichtigen.

 

Rz. 125

Aus vorsätzlichen oder leichtfertigen Inventar-/Inventurmängeln, können schließlich in der Folge der damit verbundenen Buchführungs-, Bilanzierungs- und Steuererklärungsfehler auch Steuerstraftaten (§ 368 ff. AO) oder Steuerordnungswidrigkeiten (§ 377 ff. AO) resultieren.

[2] Weder in § 331 HGB (Strafvorschrift) noch in § 334 HGB (Ordnungswidrigkeit) sind Verstöße gegen die ordnungsmäßige Aufstellung des Inventars aufgeführt.
[4] Vgl. Leinen/Paulus, in Bertram/Brinkmann/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 2017, § 258 Rz. 7; eine Vorlagepflicht käme allenfalls im Anwendungsbereich der ZPO in Betracht.
[5] Bezüglich der Einschränkung wegen Mängeln der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, wozu die Inventur gehört, siehe WPH 2017 M 816 mit Beispiel 23 bei Inventurmangel unter M 846.
[7] Z. B. fehlende Aufnahmelisten vgl. BFH, Urteil v. 6.12.1963, IV 8/60, HFR 1964 S. 412; Vorlage von Inventurunterlagen vgl. BFH, Urteil v. 25.3.1966, BStBl 1966 III 487.
[8] Voll- bzw. Teilschätzung gem. § 162 AO.

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