Rz. 1

Gem. §§ 240 Abs. 1, 2, 242 Abs. 1 HGB ist jeder Kaufmann (§ 1 HGB) verpflichtet, sowohl bei Geschäftseröffnung als auch auf den Schluss eines jeden Geschäftsjahres auf Grund einer Bestandsaufnahme (Inventur) ein Verzeichnis (Inventar) seiner Vermögensgegenstände und Schulden aufzustellen.

 

Rz. 2

Seit dem BilMoG von 2009 wird nicht kapitalmarktorientierten Einzelkaufleuten mit kleiner Unternehmensgröße durch § 241a HGB ein Wahlrecht zum Verzicht auf die Aufstellung eines Inventars eingeräumt. Bedingung ist, dass an den Abschlussstichtagen von 2 aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren die Schwellenwerte von

  • 600.000 EUR Umsatzerlöse und
  • 60.000 EUR Jahresüberschuss

nicht überschritten werden.[1]

Im Falle einer Neugründung besteht die Verzichtsmöglichkeit nach § 241a Satz 2 HGB bereits, wenn die Schwellenwerte am ersten Abschlussstichtag nach der Neugründung nicht überschritten werden. Zur Feststellung der voraussichtlichen Einhaltung der Schwellenwerte soll eine dokumentierte überschlägige Ermittlung genügen.[2]

Bei Verzicht auf doppelte kaufmännische Buchführung – einschließlich der Inventarerstellung – ist für handelsrechtliche Zwecke eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 EStG zu erstellen.[3]

Wie das Wahlrecht ausgeübt wird, ist gesetzlich nicht geregelt. Es genügt, wenn der Kaufmann keine kaufmännische Buchführung und keine Bestandsaufnahmen praktiziert und eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung erstellt (faktische Wahlrechtsausübung).[4]

 

Rz. 3

Die originäre steuerliche Verpflichtung zur kaufmännischen Buchführung bei Überschreiten der Schwellenwerte des § 141 AO, zu der auch die Inventarerstellungspflicht zählt, bleibt von der handelsrechtlichen Verzichtsmöglichkeit unberührt. Zu beachten ist auch, dass zwar die Schwellenwerte von § 241a HGB und § 141 Abs. 1 AO zahlenmäßig identisch sind, sich aber auf u. U. abweichende Größen beziehen, wie etwa bestimmte Umsätze i. S. d. UStG oder den Gewinn aus Gewerbebetrieb. Auch ist die 2-Jahresbedingung dem Steuerrecht fremd. Besteht bei Verzicht auf handelsrechtliche Inventarerstellung – nach Mitteilung der Finanzbehörde (§ 141 Abs. 2 AO) – steuerliche Buchführungspflicht, so sind die Inventur und Inventar betreffenden handelsrechtlichen Vorschriften (§§ 240, 241 HGB) entsprechend anzuwenden (§ 141 Abs. 1 S. 2 AO).

 

Rz. 4

Inventurvereinfachungsverfahren sind in § 241 HGB geregelt. Über §§ 140 bzw. 141 Abs. 1 Satz 2 AO gelten diese Verpflichtungen auch steuerrechtlich. R 5.3 und R 5,4 EStR enthalten Verwaltungsvorschriften zur Inventur und zum Inventar beim Vorratsvermögen und Anlagevermögen, einschließlich deren Erleichterungsmöglichkeiten.

[1] Anhebung der Schwellenwerte durch das Bürokratieabbaugesetz für Geschäftsjahresbeginn nach dem 31.12.2015.
[2] Begründung des RegE BilMoG BT-Drs. 16/10067, S. 46.
[3] Keine gesetzliche Regelung, aber Klarstellung des Gesetzgebers in der Begründung des RegE BilMoG BT-Drs. 16/10067, S. 46 und BT-Drs. 16/12407, S. 109. A. A. Hachmeister/Zeyer, Inventur und Inventar, HdJ, I/14, Rz. 2 m. w. N.
[4] Gl. A. Graf, in: Bertram/Brinkmann/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 2017, § 241a. Rz 16.

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