Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten sind zum Abschlussstichtag nach Handelsrecht grundsätzlich einzeln und isoliert voneinander zu bewerten.[1]

Wesentlicher Zweck dieser Vorschrift liegt darin, die Saldierung der Einzelwerte zu verhindern. Bei einer Gruppe von Gegenständen werden dadurch möglicherweise große Wertunterschiede aufgedeckt und Risiken transparent gemacht. Für die Bewertung sind die objektiven Verhältnisse zum Stichtag maßgeblich, auch wenn sie erst später bekannt werden.[2]

 
Praxis-Beispiel

Objektive Verhältnisse am Stichtag maßgebend

Brennt das Außenlager infolge einer vorwitzigen Silvesterrakete bereits vor Mitternacht teilweise aus, reduziert sich der Warenbestand zum 31.12. mengenmäßig um die vernichteten Vorräte und darüber hinaus um den Wert der Beschädigung bei den geretteten Gütern. Dieser Umstand fließt auch dann in das Inventar ein, wenn der Unternehmer davon erst nach einem ausgedehnten Skiurlaub erfährt.

Handelt es sich bei der Rakete aber um einen Spätzünder im neuen Jahr, so hat dieses missliche Ereignis keinen Einfluss auf Menge und Wert der Vorräte zum 31.12. gegen 24 Uhr.[3] Ein solcher Umstand könnte aber im Jahresabschluss zu erläutern sein, insbesondere wenn ein Anhang zu erstellen ist. Hierzu sind Kapitalgesellschaften, die keine Kleinstgesellschaften im Sinne des § 267a HGB sind, sowie diesen gleichgestellte Personengesellschaften verpflichtet. Nach § 285 Nr. 33 HGB ist nämlich über wesentliche Ereignisse nach dem Bilanzstichtag zu berichten.[4] Diese Rechtslage hat auch zur Folge, dass die Folgen, die sich aus der Corona-Pandemie ergeben, im Wesentlichen wertbegründend sind. Nach Ansicht des IDW sind deshalb bilanzielle Konsequenzen erst in Abschlüssen zu berücksichtigen, die nach dem 31.12.2019 ihren Stichtag hatten. Eine Berichterstattung im Anhang und Lagebericht erscheint allerdings regelmäßig erforderlich.[5]

Die Einzelbewertung eines Wirtschaftsguts beruht auf den Anschaffungs- oder Herstellungskosten dieses Wirtschaftsguts. Auch den Kfz-Händlern wird zugemutet, ihre Autos einzeln zu erfassen, weil deren Anschaffungskosten ohne Weiteres identifiziert und den einzelnen Vermögensgegenständen ohne Schwierigkeiten zugeordnet werden können.[6]

Zu den Anschaffungskosten gehören alle Aufwendungen, um das Wirtschaftsgut zu erwerben und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, also auch Kosten für Transport, Verladung, Eingangszölle, die Kosten der Einlagerung usw. Dies können auch nachträgliche Aufwendungen sein. Skonti und Rabatte mindern die Anschaffungskosten.[7]

Bei den Herstellungskosten sind die Einzelkosten steuerlich und handelsrechtlich zwingend zu berücksichtigen.[8] Das sind variable Kosten, die dem einzelnen Produkt direkt zuzuordnen sind.

Bezüglich der Gemeinkosten bestanden nach Handelsrecht bis 2009 Wahlrechte bezüglich der Material- und Fertigungsgemeinkosten. Durch die Änderungen durch das BilMoG erfolgte eine Anpassung an steuerliche Vorschriften[9] in Richtung eines Vollkostenansatzes:

 
Fertigungsmaterial-Einzelkosten
+ Fertigungslohn und sonstige Einzelkosten der Fertigung
+ Sondereinzelkosten der Fertigung (Spezialwerkzeuge, Modelle, Entwurfskosten)
+ notwendige Materialgemeinkosten (Beschaffung, Lagerung, Materialverwaltung)
+ notwendige Fertigungsgemeinkosten (Werkzeuge, Werkstattkosten, Energiekosten)
+ Abschreibungen auf Anlagevermögen der Fertigung
= steuerlich und handelsrechtlich mindestens anzusetzende Herstellungskosten
+ allgemeine Verwaltungskosten (ohne Vertriebskosten)
+ Aufwendungen für soziale Einrichtungen (Kantine, Betriebsarzt)
+ Aufwendungen zur betrieblichen Altersversorgung (Pensionszahlungen und -rückstellungen, Direktversicherungen, Pensionskassen)
+ Fremdkapitalkosten, sofern die Zinsen auf den Herstellungszeitraum entfallen und das Fremdkapital ausschließlich zur Finanzierung der Fertigung verwendet wird.[10]
= steuerlich maximal anzusetzende Herstellungskosten

Von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Umlaufvermögens können "Gängigkeitsabschläge" auf den niedrigeren steuerlichen Teilwert vorgenommen werden. Dazu jedoch später.

[1] § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB,

Störk/Büssow, in Beck'scher Bilanzkommentar, 13. Aufl. 2022, § 252 HGB Rz. 34 ff.

[4] Grottel, in Beck'scher Bilanzkommentar, 13. Aufl. 2022, § 285 HGB Rz. 930 ff.
[5] Fachlicher Hinweis des IDW v. 4.3.2020 zu den Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus auf die Rechnungslegung zum Stichtag 31.12.2019 und deren Prüfung, IDW Life 2020, S. 311.; für den Überfall Russlands auf die Ukraine gilt, dass es sich hierbei um einen Vorgang des Jahres 2022 handelt.
[7] § 255 Abs. 1 HGB,

im Einzelnen Schubert/Hutzler, in Beck'scher Bilanzkommentar, 13. Aufl. 2022, § 255 HGB Rz. 20 ff.; Kessler/Müller, in Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Kommentar, §...

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