4.2.1 Grundfall des Wegzugs

Nach § 6 AStG müssen unbeschränkt Steuerpflichtige[1] mit ihrem Übertritt in die beschränkte Steuerpflicht ("Auswanderung") oder mit der Erfüllung gewisser anderer Tatbestände (§ 6 Abs. 1 Nr. 1-4 AStG 2006) den Vermögenszuwachs ihrer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligungen an inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaften auch ohne Veräußerung nach den Grundsätzen des § 17 EStG versteuern. Eine Besteuerung nach anderen Bestimmungen (z. B. § 21 UmwStG 1995, § 22 UmwStG 2006, § 17 EStG 2006) geht vor.

[1] Zu den persönlichen Voraussetzungen s. Tz. 4.4.

4.2.2 Änderung der Hauptansässigkeit als Auslöser der Steuerentstrickung

Die Wegzugsbesteuerung des § 6 AStG ist grds. nur bei Verlegung der Hauptansässigkeit ins Ausland anzuwenden . Die Begründung eines Zweitwohnsitzes im Ausland bei Weiterbestehen der unbeschränkten Steuerpflicht löst die Vermögenszuwachsbesteuerung nur aus, wenn auf Grund dessen in dem anderen Staat die abkommensrechtliche Ansässigkeit begründet wird[1]. Üblicherweise ist diese dann gegeben, wenn eine Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen im ausländischen Staat hat[2].

4.2.3 Schenkung an einen Steuerausländer

Die Besteuerung des Vermögenszuwachses wird auch durch Schenkung von Anteilen an einen nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Steuerausländer ausgelöst.[1] Dadurch sollen Gestaltungen wie im folgenden Beispiel verhindert werden:

 
Praxis-Beispiel

Schenkung an einen Steuerausländer

Der Vater V beabsichtigt seine X-Beteiligung zu verkaufen. Zur Verminderung der ESt-Belastung wird überlegt, die Beteiligung vorher auf den Sohn S zu überschreiben, der zuvor sein mehrjähriges Studium in einem ausländischen Staat aufnimmt und dort seinen Hauptwohnsitz begründet.

Lösung:

Die Gestaltung führt nur zu einer vorzeitigen Besteuerung (ohne Zufluss von Liquidität), da der Tatbestand des § 6 AStG erfüllt wird.

4.2.4 Grenzüberschreitende teilentgeltliche Übertragung

Der BFH hat sich mitlerweile mit einer teilentgeltlichen Übertragung beschäftigen müssen.

[1]

 
Praxis-Beispiel

Ein Vater übertrug auf seinen in den USA ansässigen Sohn einen Anteil an einer deutschen GmbH. Das Vermögen der GmbH bestand im Zeitpunkt der Übertragung überwiegend aus im Inland belegenem Grundvermögen. In unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang übertrug der Vater weitere Anteile an der GmbH auf seine Ehefrau.

Finanzamt und FG behandelten die Übertragung der Anteile als teilentgeltliche Erwerbe und setzten für den Vater einen steuerpflichtigen Übertragungsgewinn für die Übertragungen auf den Sohn und seine Ehefrau an. Für den unentgeltlichen Teil der Übertragung auf den Sohn waren sie der Auffassung, dass die Voraussetzungen der Wegzugsbesteuerung gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG a. F. (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AStG n. F.) erfüllt seien und für den Vater ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn entstanden sei.

Der BFH schließt sich der Auffassung des FG an und bestätigt, dass § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG a. F. (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AStG n. F.) im Streitfall erfüllt und nicht einschränkend auszulegen ist. Der Leitsatz lautet: Die Vorschrift zur Wegzugsbesteuerung bei unentgeltlichen Anteilsübertragungen auf im Ausland ansässige Steuerpflichtige ist nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass das Recht Deutschlands zur Besteuerung der in den unentgeltlich übertragenen Anteilen ruhenden stillen Reserven ausgeschlossen oder beschränkt werden müsste. Es liegt auch kein Verstoß gegen das Unionsrecht oder das DBA USA vor.

Das Urteil hat insoweit Bedeutung, als das Grundvermögen selbst durch Art. 13 des DBA USA in Deutschland steuerverhaftet war. Nach Auffassung des BFH eröffnet § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG a. F. insoweit nicht die Möglichkeit, das dortige Tatbestandsmerkmal des Ausschlusses bzw. der Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal in die vorrangig zu prüfenden Tatbeständen des § 6 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 bis 3 AStG a. F. hineinzulesen.

 
Hinweis

Keine Änderung durch die aktuelle Rechtslage

Die Entscheidung betrifft zwar § 6 AStG in der Fassung vor der Reform der Wegzugsbesteuerung durch das ATAD-Umsetzungsgesetz vom 25.6.2021. Die neu geregelten Ersatztatbestände des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG weichen inhaltlich nicht von den Altregelungen ab, sodass das o. g. Urteil auch für die geltende Gesetzeslage Bedeutung hat.

[1] BFH, Urteil v. 8.12.2021, I R 30/90.

4.2.5 Grenzüberschreitender Erbfall

Auch grenzüberschreitende Vererbungen von Anteilen an Kapitalgesellschaften sind seit 1.1.2007 im Rahmen des § 6 AStG zu überprüfen.[1]

 
Praxis-Beispiel

Grenzüberschreitender Erbfall

Der Vater V ist alleiniger Eigner des Familienkonzerns Y. Sohn S ist Alleinerbe. Die langfristige Unternehmensplanung sieht vor, dass nach dem Tod des Firmenpatriarchen V Minderheitsanteile an der Börse platziert werden sollen. Ein nicht unerheblicher Veräußerungsgewinn aus Anteilsveräußerungen ist absehbar.

Steuerberater S schlägt im Rahmen der Unternehmensnachfolgeplanung vor, dass bereits jetzt S den Wohnsitz nach Zug/CH verlegt.

In der Li...

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