Die Frage der Steuerentstrickung ist entscheidend davon abhängig, ob ein Wirtschaftsgut dem Stammhaus oder einer Betriebsstätte zuzuordnen ist und welche Auswirkungen sowohl tatsächliche Handlungen als auch Rechtsakte haben.

Für Wirtschaftsgüter gilt der Grundsatz, dass sie nur in einer Bilanz erfasst werden können, d. h. nur dem Stammhaus oder der Betriebsstätte zugeordnet werden können. Dies bereitet insbesondere Probleme im Baubereich, wenn z. B. ein Baukran im selben Jahr von mehreren Betriebsstätten bzw. dem Stammhaus genutzt wird. Die Finanzverwaltung hat hierzu bislang das Wahlrecht eingeräumt, bei partiellen Nutzungen zur Ermittlung eines sachgerechten Ergebnisses die Zuordnung zum Stammhaus vorzunehmen und nur sachgerecht die Kosten- bzw. Erträge abzugrenzen. Ob dieses Wahlrecht auch noch im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG zulässig ist, bleibt fraglich.

Im Übrigen gilt der Grundsatz, dass einer Betriebsstätte die positiven und negativen Wirtschaftsgüter zuzurechnen sind, die der Erfüllung der Betriebsstättenfunktion dienen.[1] Dazu zählen vor allem die Wirtschaftsgüter, die zur ausschließlichen Verwertung und Nutzung durch die Betriebsstätte bestimmt sind. Der Betriebsstätte sind auch solche Wirtschaftsgüter zuzuordnen, aus denen Einkünfte fließen und zu deren Erzielung die Tätigkeit der Betriebsstätte überwiegend beigetragen hat. Maßgeblich sind aber immer die tatsächlichen Verhältnisse und insbesondere Struktur, Organisation und Aufgabenteilung der Betriebsstätte im Unternehmen.

Problematischer ist die Zuordnung von nicht betriebsnotwendigen Wirtschaftsgütern. Wenn die Wirtschaftsgüter die ihnen im Rahmen des Gesamtunternehmens zugewiesene Funktion sowohl als Bestandteil des Betriebsvermögens des Stammhauses als auch einer Betriebsstätte ausüben, hängt es entscheidend vom erkennbaren Willen der Geschäftsleitung ab, welchem Betriebsvermögen sie zuzuordnen sind[2]; der buchmäßige Hinweis kann nur Indiz, nicht Voraussetzung der Zuordnung sein.[3]

Bei der Zuordnung ist nach Auffassung der Finanzverwaltung die Zentralfunktion des Stammhauses zu beachten. Dem Stammhaus sind deshalb i. d. R. zuzurechnen:

  • das Halten der dem Gesamtunternehmen dienenden Finanzmittel (nicht aber die von der Betriebsstätte erwirtschafteten überschüssigen Mittel) und
  • Beteiligungen, soweit sie nicht einer in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit dienen.
 
Hinweis

Zuordnung der Wirtschaftsgüter

Diese Aussage wird in der Literatur[4] umfangreich kritisiert. Die Kritiker halten es für eine unternehmerische Willensentscheidung, die steuerlich zu akzeptieren ist, wenn eine Funktion oder ein Wirtschaftsgut auf eine Betriebsstätte übertragen wird. Dem kann aufgrund der funktionalen Betrachtungsweise nur für die "nicht betriebsnotwendigen" Wirtschaftsgüter zugestimmt werden.

Aufgrund der funktionalen Betrachtungsweise kann damit eine Steuerentstrickung nicht nur bei einer "körperlichen" Überführung eines Wirtschaftsguts (vgl. die Beispiele unter Tz. 1.4.1) erfolgen, sondern auch bei einer Funktionsänderung i. d. R verbunden mit der Änderung einer Personalfunktion.

 
Praxis-Beispiel

Neuzuordnung von Beteiligungen

Die inländische Produktions-Betriebsstätte eines international tätigen Schweizer Chemiekonzerns hat bislang auch den Vertrieb und die Logistik Deutschlands betreut. Diese Funktionen waren ursprünglich Teilbetriebe der Betriebsstätte, die später in GmbHs ausgegliedert wurden.

Ab dem Jahr 08 wird der Vertrieb und die Logistik zentral durch das Stammhaus in Basel abgewickelt, das Personal der bisherigen Geschäftsleitung für diesen Bereich wird aus Deutschland in die Schweiz umgesetzt.

Infolge dieser Funktionsänderung erfolgt ein Neuzuordnung der Beteiligungen und damit eine Steuerentstrickung in Deutschland.

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