7.1 Überblick

Ein Rückfall des Besteuerungsrechts (und damit Anrechnungsmethode) ist nach § 50d Abs. 9 2. Alt. auch vorzunehmen, wenn der ausländische Staat z. B. als Investitionsanreiz nur Steuerausländern (beschränkt Steuerpflichtigen) Investitionsanreize in Form von Steuervergünstigungen gewährt. Eine begrenzte Steuerfreistellung ("tax holiday") eines ausländischen Staats für Betriebsstätteneinkünfte führt damit seit 2007 nicht zur doppelten Steuerfreistellung, sondern zur umfassenden inländischen Steuerpflicht.

 
Hinweis

Vermeidung der Nachbesteuerung in Deutschland

Im Fall der Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft sollte daher nicht eine komplette Steuerfreistellung (z.  B. in der Schweiz "tax holiday" von bis zu 10 Jahren bei Schaffung entsprechender Arbeitsplätze) in Anspruch genommen werden, da ansonsten eine komplette Nachbesteuerung in Deutschland erfolgen würde. Eine angemessene Vor-Ort-Besteuerung im Rahmen eines sog. "Rulings" wäre zweckmäßiger.

Die Rückfallklausel kann hierbei auch partiell anzuwenden sein.

 
Praxis-Beispiel

Rückfallklausel partiell

Die inländische D-GmbH ist in den USA an einer gewerblich tätigen Limited Partnership beteiligt, in der auch Lizenzgebühren aus Brasilien erzielt werden. Die beschränkte Steuerpflicht der D-GmbH in den USA umfasst nicht die Lizenzen aus Drittstaaten (sog. "not effectively connected income").

Lösung:

Da die Nichtbesteuerung auf der Nichtansässigkeit der D-GmbH in den USA beruht, führt § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG seit 1.1.2007 zur Besteuerung im Inland.

Hinweis: Seit 1.1.2008 würde der Fall im Übrigen auch aufgrund der Rückfallklausel Art. 23 Abs. 4 b) DBA USA 2006 zum deutschen Besteuerungsrecht führen.

Die originären "sonstigen" Gewinnanteile aus der US-Personengesellschaft sind hingegen steuerbefreit.

7.2 BFH-Rechtsprechung zur Frage der partiellen Anwendung

Der BFH hat mit seinem Beschluss v. 19.12.2013[1] Bedenken zur Frage der partiellen Anwendung ausgelöst. Das Verfahren, das zwar nicht den Bereich der Unternehmenseinkünfte sondern die Nichtbesteuerung von Arbeitnehmern betraf, hat ein Grundsatzproblem des § 50d Abs. 9 aufgedeckt:

Sachverhalt

Ein in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtiger erzielte in mehreren Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Pilot einer Fluggesellschaft mit Sitz in Irland. Die vom irischen Arbeitgeber einbehaltene Steuer auf diese Einkünfte wurde dem Piloten durch die irische Finanzbehörde teilweise erstattet, da Irland national die Einkünfte des in Irland beschränkt steuerpflichtigen Piloten nur insoweit besteuert, wie die Flüge innerhalb Irlands durchgeführt werden.

In Deutschland besteuerte das Finanzamt den Arbeitslohn im Wege des Besteuerungsrückfalls nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG (Wechsel zur Anrechnungsmethode).

Gegen die Veranlagung wehrte sich der Steuerpflichtige erfolgreich vor dem FG. Dieses zog die Ausführungen des BFH zum verbleibenden Anwendungsbereich des § 50d Abs. 9 EStG in Zweifel: "Der Senat hält diese Überlegungen jedoch für fraglich. Nach Auffassung des Senats führt § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG auch dann nicht zu einem Rückfall des Besteuerungsrechts an Deutschland, wenn der Besteuerungsverzicht des anderen Staates nur einen Teil der betreffenden Einkünfte erfasst."

Das FG urteilte in diesem Fall vor Inkrafttreten des AmtshilfeRL-UmsG und damit vor der Änderung des § 50d Abs. 9 EStG. Die gegen das FG-Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH wurde von diesem unter Hinweis auf § 115 Absatz 2 FGO abgewiesen. In seinem Tenor schließt sich der BFH der oben zitierten Auffassung des FG an. Insbesondere in Tz. 9 der Ablehnung stellt der BFH dar, dass die Rechtsfolge des § 50d Abs. 9 EStG "tatbestandlich nur dann ausgelöst wird "wenn" – nicht aber "soweit" – die betreffenden Einkünfte [...] im anderen Vertragsstaat nicht steuerpflichtig sind."

Fazit: Auch in diesem Fall liegen nach Auffassung des FG weiße Einkünfte vor. Im Fall der in Irland teilweise unbesteuerten Einkünfte ist § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht anwendbar.

Da es sich nur um eine AdV-Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz handelt, betrieb die Finanzverwaltung neue  Musterverfahren

Der BFH ist in seinen Urteilen v. 20.5.2015[2] in Bezug auf § 50d Absatz 9 Satz 1 Nummer 2 EStG zu dem Ergebnis gekommen, dass die Freistellung der Einkünfte unbeschadet des in § 50d Absatz 9 Satz 1 Nummer 2 EStG angeordneten Rückfalls des Besteuerungsrechts auch dann zu gewähren ist, wenn der andere Vertragsstaat das ihm abkommensrechtlich zugewiesene Besteuerungsrecht an den Einkünften im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nur für einen Teil der Einkünfte wahrnimmt.

Eine solche unterschiedliche Wirkung des Rückfalls des Besteuerungsrechts, je nachdem ob Einkünfte gar nicht oder zu einem (ggf. nur sehr kleinen) Teil der Besteuerung unterlegen haben, würde jedoch zu unbilligen Ergebnissen führen. Aufgrund der Zielrichtung der Regelungen zum Rückfall des Besteuerungsrechts, die tatsächliche Besteuerung bestimmter Einkünfte unabhängig davon sicherzustellen, ob außerdem weitere besteuerte Eink...

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