Die Dynamik und Volatilität der Märkte erfordert oft eine unmittelbare Entscheidung im Tagesgeschäft. Eine Analyse von Plan-Ist-Abweichungen, ein Forecast zum Zielzeitpunkt und dann eine Ableitung der richtigen Gegensteuerungsmaßnahmen sind aber rein aus Geschwindigkeitsgründen nicht immer sinnvoll möglich.

Zudem sind in einem dynamischen Umfeld Schlussfolgerungen aus Vergangenheitsdaten nicht mehr wirklich geeignet, um Maßnahmen in der Zukunft zu unterstützen. Dies führt zwangsläufig zu einer Erhöhung der Geschäftsrisiken, da die Risiken der zukünftigen Entwicklung weniger ignoriert werden können.

Es muss sogar über eine Anpassung der Definition von Risiken nachgedacht werden. Statt einer "Abweichung vom Plan" sollte zunehmend von einer "Unsicherheit der zukünftigen Geschäftsentwicklung" gesprochen werden. Dies ist dann zwar eine sehr allgemeine und weitgreifende Definition, sie ermöglicht aber, systematisch die fehlende Transparenz in den verschiedenen Märkten mit den Methoden des Chancen- und Risikomanagements zu bearbeiten. Wenn nicht mehr die Abweichung zum Plan gefordert wird, greifen diese Methoden auch dann, wenn sie nicht in einem Planungsprozess mit klaren Maßnahmen zur Zielerreichung beschrieben wurden und ebenso in Fällen, in denen ein Ziel nicht eindeutig quantitativ, sondern auch wertebasiert qualitativ formuliert wurde.

Im Tagesgeschäft bildet die Abwägung von Chancen und Risiken die Basis einer anstehenden Entscheidung. Die dazu erforderlichen Grundlagen werden je nach Inhalt im Team oder auf Unternehmensebene festgelegt. Dies können z. B. sein:

  • finanzielle Restriktionen
  • kritisches Wettbewerbsumfeld
  • Positionierung bestimmter Produkte
  • angestrebtes Image

Unabhängig davon existiert ein abgestimmtes und von allen Mitarbeitern verinnerlichtes Zielbild des Unternehmens (Vision = wer wollen wir sein im Markt, warum gibt es uns?), das bei jeder Entscheidung unbewusst oder bewusst die Chancen- und Risiko-Abwägung steuert. Wenn die Kultur des Unternehmens diese Art der Unternehmenssteuerung zulässt, reduziert sich die klassische Steuerung mit Plan-Ist-Vergleichen auf ein Minimum. An deren Stelle tritt eine verstärkte Sensibilität für die Dynamik der Risiken (sind die erfassten Risiken noch relevant oder haben sie sich mit dem Umfeld signifikant verändert) und für die Art ihrer Verteilung (gelten die bisher eingesetzten Verteilungskurven noch). Auch die Form der Kontrolle ändert sich – insbesondere im Kontext des verstärkten Einsatzes sich selbst organisierenden Team kommen zu zentralen Kontrollmechanismen Methoden der Selbstkontrolle hinzu.

Eine das Kontroll- und Transparenzgesetz (KonTraG) ergänzende gesetzliche Regelung, ist die "Business Judgement Rule", welche sich in § 93 Abs. 1 AktG äußert. Dieses Gesetz regelt Sorgfaltspflichten des Vorstands und fordert, dass unternehmerische Entscheidungen belegbar auf der Grundlage "angemessener Informationen" zum Wohle der Gesellschaft zu treffen sind. Bei Entscheidungen unter Unsicherheit sind hier insbesondere Risikoinformationen bereitzustellen, d. h. eine Risikoanalyse sollte schon vor der Entscheidung durchgeführt werden! So sollen Änderungen des Ertrag-Risiko-Profils und mögliche "bestandsgefährdende Entwicklungen" (§ 91 AktG) früh erkannt werden.[1]

Dies erfordert, dass die Controller in Zukunft deutlich stärker Statistikmethoden kennen und einsetzen müssen. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung wird zu einem Bestandteil der Arbeit von Controller. Da auch im Rahmen des Forecasting mit Business Analytics-Methoden immer mehr Statistik- und Wahrscheinlichkeitsrechnungen benötigt werden, die über die Monte-Carlo-Methode hinaus gehen, lassen sich diese Aktionsgebiete verbinden. Business Analytics wird damit auch zu einer Methode im Rahmen des Risikomanagements.[2]

Von besonderer Bedeutung bei der Einführung eines Risikomanagements ist die typische und systematische Fehleinschätzung von Risiken ("Bias" im Sinne von verzerrter Wahrnehmung von Informationen) durch die betroffenen Mitarbeiter. Gleich mehrere psychologische Effekte führen zu einer "Risikoblindheit", die systematischen Fehlentscheidungen zur Folge haben.[3] Heuristiken, wie die sogenannte "Verfügbarkeitsheuristik" von Kahnemann und Tversky, können zu einer massiven Fehleinschätzung der Wahrscheinlichkeit zukünftiger Ereignisse führen und damit speziell zu einer verzerrten Einschätzung der Risiken.

Renn verweist darauf, dass bei der Beurteilung möglicher Schäden (Risiken) die Komplexität der Sachverhalte, die Unsicherheit über das Eintreten der vermuteten Folgen und die Ambiguität bei der Bewertung dieser Folgen bedeutsam sind.[4] Das individuell wahrgenommene Risiko hängt u. a. von folgenden Faktoren ab:

  • Bewusst oder unbewusst angewandte kognitive Prozesse (Informationsverarbeitung),
  • Einschätzungen über das Ausmaß drohender Verluste oder Schäden und deren Bewertung (Schrecklichkeit, Katastrophenpotenzial),
  • Situative Merkmale des einzuschätzenden Sachverhalts, wie Freiwilligkeit der Risikoaussetzung und wahrgeno...

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