Ein integrativer Steuerungsansatz beruht auf einer "stimmigen" Einbeziehung aller am Wirtschaftsprozess beteiligten Menschen. Mit "stimmig" ist dabei die Kombination dreier Anforderungen gemeint, die wir an alle Maßnahmen, Messgrößen und Kennzahlen anlegen:

  1. Sie sollen verständlich sein.

    Wir benötigen auf der einen Seite ein einheitliches Verständnis für alle steuerungsrelevanten Sachverhalte. Das ist insbesondere in internationalen Unternehmen schwierig, weil bspw. in Frankreich oder Großbritannien oder Indien oder China wirtschaftliche Zusammenhänge unterschiedlich eingeordnet und interpretiert werden. Das betrifft das Umgehen mit Kennzahlen ebenso wie die Ableitung und das Trainieren von Maßnahmen, um auf Veränderungen des Umfeldes bzw. von Annahmen reagieren zu können. Das kann aber auch in Deutschland zu schweren Missverständnissen und Unstimmigkeiten führen, wenn etwa nach Firmenkäufen und Fusionen unterschiedliche Wirtschaftskulturen zusammengeführt werden sollen.

    Dennoch müssen sich die Verantwortlichen dieser Aufgabe immer wieder stellen, wenn sie eine stimmige Unternehmenssteuerung erreichen wollen. Das erfordert Geduld aber vor allem Zeit, die in den täglichen Planungen berücksichtigt werden muss.

    Wir benötigen zugleich eine differenzierte, den unterschiedlichen Arbeitswelten und Professionen angepasste Sprache. Für einen Analysten oder einen Kreditbetreuer mögen finanzwirtschaftliche Kennzahlen wie der "Return on Capital Employed (ROCE)" oder "Days Payable Outstanding (DPO)" noch verständlich sein. Aber außerhalb des engeren Finanzbereiches sind diese Größen selbst vielen Controllern nicht geläufig. Steuerungsgrößen wie "Umsatz pro Bestandskunde" im Vertrieb oder "Anzahl fehlerfreier Produkte im ersten Durchlauf" in der Fertigung oder "Anzahl bearbeiteter Ideen in der Pipeline" für den F&E-Bereich sind für das Verständnis vor Ort eher geeignet.

    Führungskräfte, Controller und Qualitätsmanager müssen daher die Menschen vor Ort in die Entwicklung einer "Single Source of Truth" einbeziehen, wenn sie steuerungsrelevante Wirkung erreichen soll.

  2. Sie sollen handhabbar sein.

    Menschen müssen die für ihr Handeln bestimmten Steuerungsgrößen praktisch beeinflussen können, sonst entfalten sie keine Wirkung. Verständnis allein reicht nicht aus, wenn die konkreten Ansatzpunkte für das eigene Tun nicht gesehen bzw. nicht genutzt werden. Wie die Erfahrungen der weiter oben erwähnten Hochleistungsteams zeigen, erfordert "Handhabbarkeit" ein wiederholtes Training vor Ort (Learning by Doing). Das muss Teil des Steuerungskonzepts sein, wenn Selbstorganisation auch nur ansatzweise realisiert werden soll. Dafür braucht es Zeit und Fähigkeiten, die von den Führungskräften aber auch im Controlling und Qualitätsmanagement eingeplant, entwickelt und tatsächlich umgesetzt werden müssen. Und diese Aufgabe kann nicht ohne Empathie gelöst werden. Lustloses Abarbeiten von Organisationsanweisungen führt nicht zum Ziel.

     
    Hinweis

    Learning by Doing gewinnt an Bedeutung.

    Diese Form des Lernens erhält durch die Digitalisierung und Vernetzung ein anderes, größeres Gewicht. Erfahrung und Können im Umgang mit komplexen und dynamischen Informationsstrukturen werden wichtiger im Vergleich zum bloßen Aneignen statischen Wissen, das inzwischen im Internet zuverlässig und meist in Echtzeit abgerufen werden kann. Außerdem veraltet heute angelerntes statisches Wissen sehr schnell, während das im Internet abrufbare Wissen kontinuierlich angepasst wird. Selbst die dokumentierte Erinnerung, das archivarische Gedächtnis lässt sich heute elektronisch besser bewahren, aufbereiten und vernetzen, als es das statisch angeeignete Wissen vermag. Der Vorzug der Menschen gegenüber der Technik erhält dadurch größere Freiräume: Kreativität, Emotionalität, Willenskraft, Umgehen mit Unerwartetem und Fokussierung in dynamischem Umfeld. Das zu verstärken, wächst zum Kern jeder Ausbildung heran.

  3. Sie sollen bedeutsam sein.

    Menschen engagieren sich nur für Aufgaben und Tätigkeiten, denen sie persönlich eine ausreichende Bedeutung zumessen. Wenn Menschen das Gefühl verspüren, dass eine Botschaft für sie nicht wichtig ist, hören sie nicht zu. Wenn Menschen eine Tätigkeit für nicht angemessen oder gar irrelevant erachten, sind sie nur unter Druck bereit, zu agieren und zeigen das auch mit ihrer Körpersprache. Wenn Menschen glauben, dass ihr Handeln von niemandem wahrgenommen wird, fühlen sie sich missachtet und verhalten sich entsprechend. Das alles ist bekannt. Dennoch wird diese Erkenntnis von zu vielen für die Unternehmenssteuerung Verantwortlichen im operativen Geschäft nicht konsequent umgesetzt – aus Zeitdruck, wie oft argumentiert wird. Aber es ist eher eine Haltungsfrage bezüglich der eigenen Prioritäten. Das beginnt beim Top-Management, wenn sie dieser Problematik keine tägliche Aufmerksamkeit zuwenden. Und das betrifft alle Führungskräfte, Controller und Qualitätsmanager auf allen Ebenen, wenn sie die Lösung von "Sachfragen" wichtiger einstufen als die Kooperation der fü...

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