Rz. 101

Für den Fall eines mehrjährigen Verfahrens ist nach Ablauf von 12 Monaten jeweils ein handelsrechtlicher Jahresabschluss und ggf. auch ein Lagebericht aufzustellen, da gem. § 155 Abs. 1 Satz 1 InsO i. V. m. §§ 238 ff. HGB die allgemeinen handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften für das gesamte Insolvenzverfahren weitergelten.[1] Solange keine Betriebseinstellung konkret für den nächsten Zeitraum geplant ist, ist dabei nach den Grundsätzen der Unternehmensfortführung zu bilanzieren, § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB.

 

Rz. 102

Im Falle nur kurzfristiger Unternehmensfortführung oder Betriebseinstellung ergeben sich Abweichungen von der üblichen Rechnungslegung. Die Auswirkungen einer Abkehr von der Going-Concern-Prämisse für die Bilanzierung und Bewertung sind in IDW HFA RS 17 "Auswirkungen einer Abkehr von der Going-Concern-Prämisse auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss" dargestellt. Folgende Überlegungen sind beispielsweise anzustellen:

[2]

  • Pflichtenintensität und Gliederungsanforderungen:

    • Berücksichtigung von Änderungen bei der Einordnung in die Größenklassen des § 267 HGB;
  • Rechnungslegungsgrundsätze:

    • Aufgabe der Fortführungsannahme,[3]
    • Abweichung vom Grundsatz der Bewertungsstetigkeit;[4]
  • Ansatz:

    • Umgliederung vom Anlagevermögen zum Umlaufvermögen, sofern die Vermögensgegenstände nicht mehr dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen, sondern zur Veräußerung bestimmt sind,[5]
    • Bildung von Rückstellungen für Sozialpläne,[6]
    • Bildung von Rückstellungen für Schadensersatzansprüche wegen erfolgter Erfüllungsablehnung nach § 103 InsO
    • Bildung von Rückstellungen für zum Stichtag bereits begründete Kosten des Insolvenzverfahrens;
  • Bewertung:

    • Neubewertung der aus dem Anlagevermögen in das Umlaufvermögen umgegliederten Vermögensgegenstände nach § 253 Abs. 3 HGB
    • Bewertung der Vermögensgegenstände maximal mit den (fortgeführten) Anschaffungs-/Herstellungskosten oder ihrem niedrigeren Veräußerungswert,
    • Abschreibung abnutzbarer Vermögensgegenstände auf die im Liquidationszeitraum verbleibende, statt auf die planmäßige Nutzungsdauer,[7]
    • Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen auf den sich verflüchtigenden aktivierten Geschäfts- und Firmenwert,[8]
    • Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen auf Vermögensgegenstände auf den niedrigeren Zeitwert.[9]
 

Rz. 103

Der Lagebericht ist um Erläuterungen zum Insolvenzverfahren zu ergänzen, da die Lage der Gesellschaft wesentlich durch das Insolvenzverfahren geprägt ist. Dabei sollte eine Einschätzung der Verfahrensdauer, im Liquidationsfall auch deren voraussichtliche Kosten genannt werden.[10]

[1] Pink, in Hofbauer/Kirsch, Rechnungslegung, Fach 5 "Rechnungslegungspflichten des Insolvenzverwalters nach der Insolvenzordnung", Rz. 155.
[2] Kunz/Mundt, DStR 1997, S. 667; IDW HFA RS 17 "Auswirkungen einer Abkehr von der Going-Concern-Prämisse auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss", Rz. 27 ff.
[3] § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB; IDW HFA RS 17.
[6] Ausführlich hierzu "Rückstellungen nach HGB und EStG/KStG", Rz. 115 ff.
[10] IDW HFA RS 17 "Auswirkungen einer Abkehr von der Going-Concern-Prämisse auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss", Rz. 41; vgl. zu den jeweiligen Prüfungspflichten WP Handbuch 2017, Band "Sanierung und Insolvenz", D 68.

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