Den Status des Abnehmers (Steuerpflichtiger i. S. der Erwerbsteuer) und die Verwendung des Gegenstandes im Rahmen des Unternehmens des Erwerbers kann der liefernde Unternehmer lediglich durch die Dokumentation der ausländischen USt-IdNr. des Erwerbers belegen. Bestellen ein Unternehmer oder eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, mit einer in einem anderen Mitgliedstaat registrierten USt-IdNr., so signalisieren sie damit, dass sie

  • der Erwerbsteuerpflicht unterliegen und somit Anspruch auf eine steuerfreie Lieferung haben und
  • der Unternehmer die Gegenstände im Rahmen seines Unternehmens erwerben will.

Im Zusammenhang mit der Zunahme betrügerischer Machenschaften mit dem Ziel von Um­satzsteuerverkürzungen hat sich in den letzten Jahren das Risiko des Unternehmers bei der Ausführung von Binnenmarktlieferungen erheblich verstärkt. Häufig wurde im Nachhinein die Steuerbefreiung durch die Finanzverwaltung versagt, wenn sich herausstellte, dass der Ab­nehmer nach den Ermittlungen der ausländischen Steuerbehörden ein sog. "Missing Trader" oder ein Scheinunternehmen war.

Seither werden – auch gestützt durch die Rechtsprechung – erhöhte Anforderungen an den Buch- und Belegnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen gestellt. Der sog. "Gutglaubensschutz" des § 6 a Abs. 4 UStG beruht nämlich nach der Gesetzesformulierung darauf, dass der liefernde Unternehmer die unrichtigen Angaben des Abnehmers auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Insofern müssen die Steuerbefreiungsvoraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung, also die Unternehmereigenschaft des Abnehmers, die Verwendung des Liefergegenstands für das Unternehmen des Abnehmers und die körperliche Warenbewegung in den anderen EU-Mitgliedstaat besonders gewissenhaft geprüft werden. Der BFH legt hier strenge Maßstäbe an. Schon eine Rech­nung, die nicht über den Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung verfügt, ein Verbringungsnachweis im Abholfall, der nicht gegenüber dem liefernden Unternehmer abgegeben wird, oder die fehlende Angabe des Bestimmungsorts im CMR-Frachtbrief führen zum Verlust des Gutglaubensschutzes i. S. v. § 6 a Abs. 4 UStG.[1]

Nach den praktischen Erfahrungen aus einer Vielzahl von Umsatzsteuer-Sonderprüfungen geht der Unternehmer ein erhebliches Steuerrisiko ein, wenn er ausschließlich mit Blick auf seine Geschäftsabschlüsse die beleg- und buchmäßigen Nachweise vernachlässigt.

Hat der Außenprüfer Informationen über die angeblich fehlende Unternehmereigenschaft des Abnehmers, kann sich der liefernde Unternehmer nur noch anhand seiner Unterlagen auf den Vertrauensschutz berufen. Widersprüchliche Angaben zur Identität des Abnehmers gehen nach Auffassung der Verwaltung zulasten des liefernden Unternehmers. Er muss dokumentieren können, dass ihm zum Zeitpunkt der Geschäftsanbahnung und Ausführung der Lieferung keine Zweifel am Auftreten des Abnehmers als Unternehmer kommen konnten. Ansonsten geht er das Risiko hoher Steuernachforderungen ein.

 
Wichtig

Vertrauensschutz

Allen Unternehmen ist dringend zu empfehlen, die geforderten Belege mit vollständigen Angaben und Aufzeichnungen vorzuhalten, weil nur so im Falle unrichtiger Angaben des Abnehmers Vertrauensschutz gem. § 6a Abs. 4 UStG gewährt werden kann.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Steuerbefreiung auch versagt werden kann, wenn der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Umsatz an einer Steuerhinterziehung beteiligt. Die Rechtsgrundlagen dieser Sanktionsmöglichkeit wurden vom EuGH in seiner sog. "Missbrauchsrechtsprechung"[2] entwickelt. Mit Wirkung zum 1.1.2020 wurde diese sogar in nationales Recht umgesetzt und § 25f UStG eingeführt. Zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs normiert die Vorschrift u. a. die Voraussetzungen, unter denen die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen versagt werden kann. Das ist dann der Fall, wenn der Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seiner Leistung oder seinem Leistungsbezug an einem Umsatz beteiligt, bei dem der Leistende oder ein anderer Beteiligter auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe in eine begangene Umsatzsteuerhinterziehung oder in die Erlangung eines nicht gerechtfertigten Vorsteuerabzugs gem. § 370 AO oder in eine Schädigung des Umsatzsteueraufkommens gem. §§ 26b und 26c UStG einbezogen war.

Um die bestehende Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Wissenszurechnung zu beseitigen, hat das BMF am 15.6.2022 ein Schreiben veröffentlicht und den Anwendungserlass entsprechend ergänzt.[3]

Grundsätzlich muss der Unternehmer alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt.[4] Dabei darf die Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen allerdings keine zu komplexen und umfassenden Maßnahmen aufbürden, die faktisch einer Übertragung der Amtsermittlungs...

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