Sofern betroffene Unternehmen ihre Strategie (zumindest teilweise) neu ausgerichtet und möglicherweise Anpassungen in ihrem Geschäftsmodell vorgenommen haben, kann man vom Beginn des Neustarts des Unternehmens sprechen, den wir nachfolgend als Phase 4 bezeichnen. Maßgeblich entscheidend dafür sind die zugrunde gelegten Überlegungen und Veränderungen aus Phase 3. Der Neustart ist nicht nur ein fließender Übergang aus Phase 3; vielmehr müssen die Strukturen für den Neustart schnellstmöglich nach der Stabilisierung erfolgen.

Während man noch an der Stabilisierung arbeitet, muss man sich bereits mit der Erneuerungsstrategie des Unternehmens auseinander setzen. Auch wenn das möglicherweise sehr herausfordernd ist, hilft es als Führungskraft hier nicht auf sich allein gestellt zu sein, sondern seine Möglichkeiten und den Gedankenhorizont möglichst weit aufzuspannen. Wir sind davon überzeugt, dass diese Form der agilen Entscheidungsfindung und Strategieentwicklung zu einer deutlichen Leistungssteigerung führen kann, die schlussendlich ein entscheidender Vorsprung gegenüber der Konkurrenz sein kann.

Führungskräften sollte bewusst sein, dass sich die Spielregeln in der Branche und damit auch fast alle Gegebenheiten geändert haben können. Die schnelle Anpassung sowie der Wille, das Maximale aus der Anpassung herauszuholen, werden sehr entscheidend sein. Gerade die Schnelligkeit der einzelnen Akteure und damit verbunden auch die Reaktionsfähigkeit werden maßgeblich zum Aufschwung einzelner Wettbewerbsteilnehmer beitragen, die sich dann als potenzielle Sieger der Krise charakterisieren lassen können. Die damit einhergehende potenzielle Pionierrolle im neuen Markt wird dementsprechend auch mit der Schnelligkeit von Lösungsansätzen und ihrer Umsetzung einhergehen. Man sollte eine abwartende Rolle und die bewusste oder durch Zögern verursachte Positionierung als "Late Follower" unbedingt vermeiden. Eine solche kostet Gewinn, Umsatz und Marktanteile und kann das Unternehmen gefährden.

Abb. 8: Vertrauen in die wirtschaftliche Erholung des eigenen Landes, in Prozent[1]

Nicht nur einzelne Unternehmen müssen ihren Neustart organisieren: Die globale Gesamtwirtschaft muss in Krisen wie diesen stark einstecken. Während die Regierungen in Europa Pläne zur Beendigung des Lockdowns ankündigen, beginnt damit auch die Phase für die gesamtwirtschaftliche Erholung. Aktuell vertrauen viele deutsche Unternehmen auf eine rasche Erholung, während die Lage v. a. in Südeuropa deutlich drastischer einzuschätzen ist (s. Abb. 8). Etwas überraschend ist das Vertrauen in die Erholung der US-Wirtschaft, die besonders stark von der aktuellen Krise betroffen ist.

Mit dem Neustart geht auch das phasenrelevante Change-Management einher. Aufgrund der umfänglichen Änderungen und neuen Gegebenheiten erfordert dieses eine enge Kommunikation mit allen Stakeholdern. Neue – auch digitale – Arbeits- und Organisationsformen werden durch die Krise schneller etabliert als noch unlängst erwartet und Planungssicherheit wird eine noch wichtigere Prämisse für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg darstellen.

Das hier vorgestellte Krisenmodell ist lediglich als ein möglicher Vorschlag zu sehen, der keinesfalls den Anspruch an Vollständigkeit hat. Hinsichtlich der Corona-Krise gibt es noch andere mögliche Modelle, die Unternehmen als Leitfaden heranziehen können. Genaue Hinweise zu einzelnen Handlungsmaßnahmen und Aktivitäten aus der Controlling-Perspektive schlagen wir in Kap. 4 vor. Ähnlich zu unserem Ansatz priorisiert das Marktforschungsunternehmen Gartner seine Agenda zur Krisenbekämpfung mit den Schritten

  1. Kurzfristige Reaktionen,
  2. Erholung und
  3. Erneuerung.[2]

Die Unternehmensberatung McKinsey hingegen hat einen Handlungsplan für 90-Tage-Sprints herausgegeben, der sich auf die Faktoren Digitalisierung, AI, progressive Technologisierung und Erhöhung der Unternehmensgeschwindigkeit fokussiert.[3] Im Quellenverzeichnis wird auf die vollständigen PDFs verwiesen.

 
Praxis-Tipp

Key Takeaways zu den Phasen im Krisenmanagement und -controlling

  • Liquidität ist die wichtigste Prämisse über alle Phasen hinweg (Sicherstellung der kurz- und mittelfristigen Geschäftstätigkeit).
  • Die gegenwärtige Krise muss gegen das Unternehmen gespiegelt werden: Ist das Kerngeschäft stark betroffen, sollte geprüft werden, inwieweit eine strategische Neuausrichtung sinnvoll erscheint.
  • Regelmäßige Kommunikation mit allen Key-Stakeholdern über gegenwärtige Situation zur weitestgehenden Reduzierung von Unsicherheiten (z. B. Absprache Zulieferer, Identifizierung Probleme in der Lieferkette, Veränderung des Nachfrageverhaltens).
  • Bildung von Krisenteams.
  • Führungskräften muss die zeitliche Komponente bewusst sein: Reaktionsgeschwindigkeit sowie schnelle Entscheidungsprozesse erhöhen die Chancen auf nachhaltige Wettbewerbsvorteile.
  • COVID-19: Sicherstellung der Hygiene- und Sicherheitsvorschriften (kurz- und mittelfristig Homeoffice und Kurzarbeits-Optionen ausschöpfen), danach prüfen, inwieweit diese Vorschriften im Bür...

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