Die Behandlung eines positiven und negativen Firmenwerts ist in IFRS 3 geregelt. Die wesentlichen Unterschiede zum Handelsrecht sind wie folgt:

  • einheitliche Vorschriften für Einzel- und Konzernabschluss gegenüber den insoweit unterschiedlichen Regelungen des HGB (§ 246 Abs. 1 Satz 4 HGB vs. §§ 301 Abs. 3 und 309 HGB).
  • Im Unterschied zum HGB, das einen negativen Unterschiedsbetrag nur für die Konzernbilanz vorsieht, lässt IFRS 3 demzufolge ein solches Ergebnis sowohl im Konzernabschluss als auch im Einzelabschluss zu.
  • Keine planmäßige Abschreibung des goodwill nach IFRS (impairment only; IFRS 3.B63(a)).

Nach IFRS 3.B63(a) ist der Geschäftswert nur außerplanmäßig abschreibbar. Er ist mindestens jährlich, bei besonderen Entwicklungen (triggering events) auch häufiger, auf seine Werthaltigkeit zu prüfen. Die Prüfung erfolgt auf Ebene der Zahlungsmittel generierenden Einheit (CGU), die einen goodwill enthält. Dieser impairment-only-Ansatz bringt eine Fülle von praktischen Problemen mit sich, die ohne Einschaltung von Gutachtern häufig nicht zu lösen sind.

Weitere wesentliche Unterschiede zum HGB-Einzelabschluss bestehen hinsichtlich des negativen Unterschiedsbetrags.

Zunächst geht es um die Frage, wie ein negativer Unterschiedsbetrag überhaupt zustande kommt:

 

Beispiel

E erwirbt ein pyrotechnisches Unternehmen mit folgenden Daten:

  • Der Buchwert der Aktiva beträgt 20 Mio. EUR, ihr Zeitwert ebenfalls 20 Mio. EUR. Der Erwerber übernimmt keine Verbindlichkeiten.
  • Auch der Ertragswert des Unternehmens beträgt 20 Mio. EUR.
  • Als Kaufpreis werden jedoch 10 Mio. EUR vereinbart.

Die Abweichung zwischen Kaufpreis und Zeit- und Ertragswert erklärt sich wie folgt: Das Unternehmen hat mit ordentlichen Warnhinweisen Feuerwerk in die USA geliefert. Bei unsachgemäßer Umverpackung durch den in den USA für das Feuerwerk lizenzierten Abnehmer kommen vier Arbeiter zu Tode. Das Unternehmen wird auf 40 Mio. US-Dollar verklagt. Sein Versicherungsschutz für derartige Fälle beträgt 5 Mio. US-Dollar. Die Wahrscheinlichkeit, mit einem über 5 Mio. US-Dollar hinausgehenden Betrag verurteilt zu werden, wird von Versicherung und Rechtsanwälten als niedrig eingeschätzt. Eine Rückstellung kann deshalb nicht passiviert werden. Die Warnhinweise waren ordentlich. Abnehmer waren keine Endverbraucher, sondern in den USA lizenzierte Fachleute. Wegen des Überraschungspotenzials amerikanischer Geschworenenverfahren bleibt jedoch ein Restrisiko. Die Parteien berücksichtigen dies durch einen Abschlag von 8 Mio. EUR beim Kaufpreis. Das Restrisiko liegt sowohl nach IFRS als auch nach HGB wegen der Unwahrscheinlichkeit eines negativen Ausgangs unterhalb der Rückstellungsschwelle. Dennoch ist es nicht ganz auszuschließen und wird deshalb bei der Kaufpreisfindung berücksichtigt. Darüber hinaus war der Veräußerer aus privaten Gründen an einem schnellen Verkauf interessiert. Die Parteien haben deshalb bei Abwicklung innerhalb von 30 Tagen einen Preisnachlass von 2 Mio. EUR vereinbart.

Bei Erwerb im asset deal, also Abbildung des Erwerbs bereits im Einzelabschluss des Erwerbers, ignoriert das Handelsrecht diese Momente. Dem Kaufpreis von 10 Mio. EUR steht ein Zeitwert der Aktiva von 20 Mio. EUR gegenüber. Eine Abstockung der Aktiva ist geboten. Sie werden mit 10 Mio. EUR, d. h. nur zur Hälfte ihres Buch- und Zeitwerts, ausgewiesen. Der negative Geschäftswert von 10 Mio. EUR wird im Abstockungswege still verrechnet. Soweit es sich bei den Aktiva um abschreibbares Anlagevermögen oder um Vorräte handelt, wird demzufolge auch die Ertragslage der Folgeperioden unzutreffend wiedergegeben. Abschreibungen und Materialaufwand der Folgejahre sind zu niedrig, der Gewinn ist überhöht.

Beim share deal, also Berücksichtigung im Konzernabschluss, gilt handelsbilanziell: Das erworbene Vermögen wird mit 20 Mio. EUR angesetzt, die Differenz von 10 Mio. EUR zum Kaufpreis als negativer Unterschiedsbetrag passiviert.

IFRS 3 wählt unabhängig davon, ob ein asset deal oder share deal vorliegt, einen anderen Ansatz: Die Vermögenswerte werden mit 20 Mio. EUR erfasst, die unterhalb der Rückstellungsschwelle liegende kontingente oder Eventualschuld (contingent liability) wird mit ihrem negativen fair value von 8 Mio. EUR passiviert. Einem Nettovermögen mit einem fair value von 12 Mio. EUR (20 Mio. – 8 Mio.) steht daher ein Kaufpreis von 10 Mio. EUR gegenüber. Es verbleibt nur ein negativer Unterschiedsbetrag von 2 Mio. EUR, der als "lucky buy" oder "bargain purchase" getreu der Kaufmannsmaxime "der Gewinn liegt im Einkauf" sofort ertragswirksam wird.

Eventualverbindlichkeiten oder kontingente Schulden (contingent liabilities) können handelsrechtlich dazu führen, dass der Unternehmenskaufpreis unter dem Nettozeitwert der Vermögenswerte und Schulden liegt, weil mögliche, wenngleich nicht überwiegend wahrscheinliche zukünftige Inanspruchnahmen durch Dritte bei der Kaufpreisfindung berücksichtigt wurden. Auch ohne Erfüllung der Rückstellungskriterien (überwiegende Wahrscheinlichkeit) ist hier nach IFRS be...

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